3?«

OF

COMPAUATIYE ZOÜLOGY,

AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. JFountieti i)g pvfbate suüscrfptfon, in 1861.

DR. L. DE KONINCK'S LIBRARY.

No. //^.

JAHRESHEFTE

des Yereins für vaterläudische Naturkunde

r '"^

WÜRTTEMBERG.

Herausgegeben von dessen Redactionscommission ,

Prof. Dr. H. v. llCoItl in Tübingen; Prof. Dr. Tli. Plieningrer, Prof. Dr. Felilin^, Dr. IVolfg^ang- IVIenzel,

Prof. Dr. Ferd. Rrauss, in Stuttgart.

ZWÖLFTER JAHRGANG.

(Mit zwei Stein tafeln.)

-~^.~m*t>i^e*^~.m~-

STUTTGART. Verlag von Ebner <fc Seubert.

1856.

Ausgegeben im November 1856.

Gedruckt bei K. F. Hering ic Comp.

Inhalt.

Seite

I. Angelegenheiten des Vereins.

Bericht über die zehnte Generalversammlung am 29. Juni 1855

zu Stuttgart. Von Prof. Dr. 0. Köstlin 1

Eröffnungsrede des ersten Vorstandes Prof. Dr. v. Rapp . . 2

Rechenschaftsbericht. Von Prof. Dr. Krauss . . .. . 3

Rechnungsablegung. Von Apotheker Weismann . . . . 13

Wahl der Beamten und des Versammlungsortes für 1855 . 16

Abänderung der §§. 11 und 13 der Statuten 17

Nekrolog auf Bergrath Faber du Faur. Von Bergrath

V. Schübler 18

n. Aufsätze und Vorträge.

1) Zoologie und Anatomie,

üeber den Winterschlaf. Von Prof. Dr. v. Rapp ... . 23 Ueber einige, für die Laudwirthschaft schädliche Insekten. Von

Prof. Dr. Krauss 52

Beitrag zur Fauna Württembergs. Von Baron Richard König- Warthausen 72

üeber den Eizahn der Ringelnatter. Von Dr. D. F. Weinland

(Mit Tafel I.) 90

Apparat zur Bewegung der Zunge bei Manis longicaudata Shaw,

(M. macroura Erxl.). Von Dr. v. Klein . , . . . 96, 556

Die Hausratte in Stuttgart. Von Prof. Dr. Krauss . . . . 117

2) Botanik.

Herbarium Hieronymus Härders. Von Prof. Dr. Veesen-

meyer 55

Ueber das Verhältniss der parasitischen Gewächse zu der Nähr- pflanze. Von Obermedicinalrath Dr. v. Jäger . . . . 63 Eine achtfach blühende Agave americana. Von Baron Richard

König-Warthausen 101

Seile

3) Mineralogie und Geognosie.

Die Juraformation Englands, Frankreichs und des südwestlichen

Deutschlands. Von Dr. Albert Oppel 121

4) Petrefactenkunde.

Land- und Süsswasserconchylien der Tertiärformation Ober- schwabens. Von Prof. Dr. v. Kurr 38

Ueber die Ablagerung von Petrefakten im Jura. Von Dr.

0. Fraas 43

Petrefakten. Von Finanzrath Es er 63

üeber einige Cephalopoden der Juraformation Württembergs. Von

Dr. Albert Oppel 104

üeber Pentacrinites colligatus. Von Prof. Quenstedt. (Mit

Tafel II.) 108

5) Chemie, Physik und Meteorologie.

Ueber die Bedeutung und Theorie des F o u c a u 1 1' sehen Ver- suches. Von Oberreallehrer Blum 31

6) Vermischtes.

üeber die Beziehungen der Stromgebiete und Wasserscheiden

zu den Gebirgen. Von Oberbaurath v. Bühler ... 47

Vortrag über verschiedene Natuimerkwürdigkeiten. Von Prof.

Dr. Fleischer 59

Aeltestes Lumpenpapier. Von Prof. Volz 70

HI. Kleinere Mittheilungen.

Untersuchung fossiler Fischzähne von unbekannter Abstammung.

Mitgetheilt von den Prof. Dr. v. Fehling und v. Kurr . 118 Anmerkung zu einer Stelle in dem von Prof. Veesenmayer

vorgezeigten Herbarium von 1595 120

Berichtigung (zu Seite 96) 556

Aii^ele^eiilieiten des Tereiiiis».

Bericht über die zehnte Geiieralversanimhing am 29. Juni 1855 zu Stuttgart.

Von Prof. Dr. 0. Köstlin.

Die zahlreich besuchte Versaminking begann nach 9 Uhr in den kleineren Sälen des oberen Museums. Im Eintrittszimmer waren verschiedene naturhistorische CTCgenstände von allgemeine- rem Interesse aufgestellt; in der Mitte ein Blatt der Victoria regia von 7 Fuss Durchmesser, durch die Güte des Herrn Direktor von Seyffer aus den königlichen Gärten zu Cannstatt entnommen , an den Seiten Pelargonien und Fuchsien von den hiesigen Handelsgärtnern Nestel, G. Pfitzer und Wagen- blast, eine Nicotiana glauca mit 4 Sorten blühender Petunien veredelt, von Handelsgärtner Gumpper; ferner, durch Herrn G. V. Martens, die blüthen- und hülsentragenden Pflanzen von Ervum Ervilia, aus den Samen gezogen, welche den Lin- sen immer beigemischt und der Gesundheit gefährlich sind, ebenso, durch Herrn Amtsarzt Dr. Stüztle in Buchau gesendet, die Samen von Galeopsis tetrahit mit dem daraus gewonnenen Oele; endlich viele Versteinerungen, darunter eine Sandsteinplatte mit vielen Asterias, welche Herr Inspektor Schul er in Wasseral- fingen*) dem Vereine geschenkt hat.

Die Erläuterung, mit welcher Herr Schüler diese Sendung begleitete, lautet folgendermassen :

Bei Hüttlingen (1 Stunde nordwestlich von Wasseralflugeu) liegt unmittelbar über dem bunten rothen Keupermergel eine 6 10" dicke, feste Steinbank von dunkler Farbe, mit eingebackenen linsen- bis haselnussgrossen Stückchen von Württemb. naturw. Jahreshefte. 1856. Is Heft. 1

2

Professor Dr. v. Kiirr als Geschäftsführer eröffnete die Versammlung und übertrug das Amt ehies Vorsitzenden dem ersten Vorstande, Prof. Dr. v. Rapp, welcher die Versammel- ten in folgenden Worten begrüsste:

Hochansehnliche Versammlung!

Es sind jetzt zehn Jahre verflossen, seit unser Verein für vaterländische Naturkunde durch die erste Generalversammlung eröffnet wurde. Wir können mit Zufriedenheit die Leistungen der Gesellschaft überblicken. Zehn Bände der naturwissenschaft- lichen Jahreshefte sind erschienen. Sie enthalten schätzbare Abhandlungen über verschiedene Zweige der Naturwissenschaften, meist zunächst über vaterländische Naturgeschichte. Es sind Arbeiten über Physik, Meteorologie, Chemie, Mineralogie, Geog- nosie, Petrefaktenkunde , Botanik, Zoologie und vergleichende Anatomie. Die Wissenschaft hat manche Bereicherung durch die Forschungen unserer Mitglieder erhalten. Der, welcher solchen Beschäftigungen sich widmet, gelangt, wenn auch nicht geschwind, doch sicher zu Resultaten.

Die schon vor längerer Zeit von Seiner Majestät dem Könige , dem gnädigsten Protektor unseres Vereins gegründete Sammlung vaterländischer Naturprodukte wurde der Pflege des Vereins anvertraut und befindet sich in erfreulichem Zunehmen. Die Petrefakten und die von Herrn Plouquet ausgestopften

gelber, brauner oder schwarzer Farbe , welche das Bonebed zu repräsentiren scheint. Darüber wechsellageru mehrere 2, 4 bis 6' mächtige Lagen von bläulich-grauem, braun und roth geflecktem Thone mit feinkörnigen, gelben Sandsteinplatteu und Bänken mehrfach. Nach Oben stellen sich in grösse- ren Massen die Sandsteinbänke mit den gewöhnlichen Fucoidenbildungen, Wülsten, Thalassites concinna etc. ein, die höher kalkig werden und in den Gryphiten- (Arieten-) Kalk übergehen; darüber liegt eine 8 bis 12' mäch- tige Thonlage.

Die ganze Mächtigkeit dieser Schichte , von den bunten Mergeln an bis zu dieser Thonlage beträgt bei Hüttlingen ca. 50' {Lias a.). Nahe in der mittlem Höhe (26 '/o' von oben) liegen einige Sandstein-Bänke von 1 2'/,' Dicke mit dünnen Sandsteinplatteu. Auf diesen Platten finden sich die vorliegen- den Asterien ; grössere Exemplare erreichen über 2" Durchmesser.

3

Säugethi&re und Vögel sind besonders selienswcrth ; übrigens sind alle drei Naturreiche vertreten. Es wurde ferner vom Verein eine naturwissenschaftliche Bibliothek angelegt, deren Benützung den Mitgliedern des Vereins freisteht. Es wurde jährlich eine Generalversammlung gehalten und der Ausschuss des Vereins ver- anstaltet von Zeit zu Zeit hier an seinem Sitze öffentliche Vor- träge über verschiedene Gegenstände aus dem Gebiete der Na- turwissenschaften.

Der ökonomische Zustand der Gesellschaft ist wohl geordnet.

Wir können nach solchen Erfolgen mit Freudigkeit das zweite Decennium unseres Vereins betreten ; aber einige schmerz- liche Verluste haben wir durch den Tod einiger würdiger Mit- glieder erlitten , es wurden ihrem Andenken in der Zeitschrift des Vereins ehrende Denkmäler errichtet. Durch neue Mitglie- der ergänzten sich die Kräfte unserer Gesellschaft.

Hierauf trug der Sekretär des Vereins, Prof. Dr. K r a u s s , den

Rechenscliaftsbericlit für das Jalir l^^Vss

vor. Er lautet:

Meine Herren!

Im Auftrage Ihres Ausschusses habe ich die Ehre, Ihnen über die Thätigkeit des Vereins im verflossenen Jahre Bericht zu erstatten.

Wenn auch die Beiträge zur Vermehrung der vaterländischen Naturalien-Sammlung nicht in dem gewünschten Massstabe ein- gegangen sind, so ist doch an dem Aufstellen und Ordnen des vorhandenen Materials eifrig fortgearbeitet worden. Insbesondere hat unser Conservator Lehrer Kolb, die in den letzten Jahren gesammelten Insekten, welche er noch durch ein namhaftes Ge- schenk der Sammlung noch fehlender Arten vermehrt hat, auf- gestellt; ferner sind die Vogeleier, deren Bestimmungen Baron Richard v. ni g- Warthausen zu berichtigen die Güte hatte , geordnet und die neuerhaltenen württ. Mineralien und Petrefakten eingereiht worden. Unter den Geschenken sind die für die Kultur forstwirthschaftlicher Bäume sehr instructiven Höl- zer, welche die XII. Versammlung der süddeutschen Forstwirthe

1 *

dem Vereine gestiftet hat, hervorzuheben und unter den ange- kauften Naturalien ein ausgezeichnet schönes Exemplar von Ichthyos. tenuirostris aus der Umgegend von Boll zu erwähnen.

Von unseren Jahresheften sind die beiden ersten Hefte des XI. Jahrgangs ausgegeben. Die noch rückständigen meteorolo- gischen Berichte von 1851 und 1852 werden nach den Anord- nungen von Prof. Dr. Plieninger in dem noch fehlenden dritten Hefte des VIT. und die von 1853 und 1854 in dem des X. Jahrgangs erscheinen, während der von Prof. Plienin- ger bearbeitete Keuper-Saurier in dem ebenfalls noch rückstän- digen dritten Hefte des VIII. Jahrganges demnächst seine Stelle finden soll.

Die Vorträge für die Vereinsmitglieder wurden auch diesen Winter fortgesetzt.

Prof. Rossmässler aus Leipzig sprach über die natur- wissenschaftlichen Verhältnisse Spaniens.

Prof. Dr. Köstlin über die Witterungs- und Gesundheits- verhältnisse Stuttgarts während der letzten 5 Jahre.

Prof. Dr. V. Kurr über den Mineralreichthum und die Metallgewinnung im sächsischen Erzgebirge und

Prof. Dr. Müller über die Kometen.

Der Schriftenaustausch hat sich durch die Verbindungen mit der Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde in Hanau, der Societe des Sciences naturelles de Iseuchatel, der Academie des Sciences^ arts et helles-lettres de Dijon, der Societe des Sciences naturelles de Luxemhourg und mit dem Lyceum of natural history at New- York vermehrt. Ausserdem hat die Bibliothek durch die älteren Tauschverbindungen und durch Ge- schenke sehr werthvolle Beiträge erhalten.

Zu correspondirenden Mitgliedern wurden Dr. A. Kenngott, Kustosadjunkt am k. k. Hofmineralien-Kabinet in Wien und Prof. Dr. Burmeister in Halle ernannt.

Durch den Tod haben wir folgende Mitglieder verloren:

Med. Dr. Mauz in Esslingen, welcher durch seine natur- historischen Untersuchungen sich auch in weiteren Kreisen bekannt gemacht hat.

Finanzrath Kurz, welcher dem Verein stets mit Interesse zugethan war.

Redacteur Dr. Karl Eiben, welcher dem Verein von des- sen Entstehen an seine lebhafte Theilnahme zugewendet hat und dessen Zwecke nach besten Kräften zu fördern bemüht war und

Bergrath Faber du Four, über welchen eines unserer Mitglieder heute noch einige Worte der Erinnerung sprechen wird.

Endlich wird Ihr Ausschuss heute eine weitere Verwilligung eines Kredits beantragen, weil die schon im Jahr 1852 verwilHg- ten 600 fl. zu Bestreitung der Kosten , welche die Aufstellung und Förderung der Sammlung verursacht, für das angetretene Verwaltungsjahr nicht ganz ausreichen wird.

Die Vereinssammlung hat folgenden Zuwachs an Naturalien erhalten :

I. S ä u g e 1 h i e r e :

Als Geschenke: Mus minutus Fall., Junge, von Warthausen,

Uypudaeus ruiilus Fall., alt, von Stuttgart, diese beiden für Württemberg neue Nagethiere, durch Herrn Baron Richard v. König- W arth aus en; Mustela vulgaris, L., altes Weibchen,

durch Herrn Prof. Dr. Fleischer in Hohenheim. Vespertilio auritus L. , altes Männchen,

durch Herrn Prof. Dr. Kraus s.

IL Vögel:

a) als Geschenke: Larus ridibundus L., Junge und Männchen und Weibchen,

durch Herrn Revierförster v. Zeppelin in Blizenreuten ; Alauda cristata, altes Männchen und Weibchen bei der Reiterkaserne in

Stuttgart,

durch Herrn Generalstabsarzt Dr. v. Klein; Astur palumbarius Bechst., altes Weibchen,

durch Herrn Forstrath Hahn; Anas crecca L. , Männchen in Winterkleid,

durch Herrn Bauinspector Binder in Ravensburg; Podiceps cristatus Lath., alt,

durch Herrn Paul Schnell in Besigheim ;

6

Neun Arten Vogeleier, aus Lndwigsbuig

durcli Herrn Thierarzt Bauer; Vier Arten ^Vogeleier in 21 Stücken,

durch Herrn Baron Eichard v. König- Warthausen; Nest von Corvus Pica L.,

durch Herrn Prof. Dr. v. Kurr.

b) gegen Ersatz: Perdix cinerea L., altes Weibchen, schöne weissgefleckte Varietät,

durch Herrn Posthalter Gundlach in Blaufelden.

III. Reptilien:

Als Geschenk: Coronella austriaca Jacq., alt, von der Alp bei Balingen, durch Herrn Dr. 0. Fraas.

IV. Fische:

Als Geschenke: Cottus Gobio L., Gruppe, Cohitls barbatula L., Grundel, Leuciscus phoxinus Cuv., Pfeile, Leuciscus dobula Val., Schuppflsch, Salmo fario L., die schwarze und Goldforelle, Thymallus gymnothorax Val. , Asche,

Amnocoetes branchiaUs Dum. , kleines Neunauge sämratlich aus der Enz bei

Neuenbürg,

durch Herrn Reallehrer Friz daselbst.: Leuciscus phoxinus Cuv., aus einem Bache beim Schatten ,

durch Herrn Dr. J. Ho ff mann: Leuciscus rutilus Cuv., Rothauge, jung, Leuciscus phoxinus Cuv., Pfeile, Cobitis barbatula L. , Grundel, sämmtlich aus dem Neckar bei Berg,

durch Herrn Medicinalrath Dr. Hering; Perca fluviatitis L., Barsch, aus einem See bei Degerloch,

durch Herrn Prof. Dr. K r a u s s.

V. C r u s t a c e e n.

Als G e schenk: Basanistes Huchonis Nordm., Weibchen auf Rothfischen aus der Donau, durch Herrn Medicinalrath Dr. Hering.

VI. Insekten:

AlsGeschenke: GO Exemplare Coleopteren, welche der Vereinssammlung noch fehlen, durch Herrn Lehrer Kolb;

7

Pediculus (Haematopinus Leach) suis L., vom Wildschwein,

durch Herrn Prof. Dr. K r a u s s ; Nest von Vespa vulgaris L., 17" lang, 14" breit und 6'' dick,

durch Herrn Buchdruckereibesitzer Hering.

VII. Helminthen:

Als Geschenke: Sechs Arten Eingeweidewürmer,

durch Herrn Med.-Rath Dr. Hering; Eine Art Eingeweidewurm,

durch Herrn Prof. Dr. Kraus.

VIII. Mollusken:

Als Geschenk: Limax maximus L, var. nigra, bei Neuenbürg, durch Herrn Reallehrer F r i z.

IX. Petrefakten:

a) Geschenke:

1) Eine Sammlung von Fisch- und Saurierzähnen sammt Handstücken aus dem Bonebed des Lias von Riedern bei Obertürkheim, Belegstücke zu dem Vortrag des Herrn C. Deffner in Esslingen, von demselben.

2) Süsswasserkalkschneckeu aus Zwiefalten und 3 Malachite aus dem Schwarz- wald von Herrn Forstrath Hahn.

b) dur eh Kauf: 31 Stücke Petrefakte von Mollusken und Crustaceen aus dem weissen Plat- tenkalk von Nusplingen. 9 Stücke Pflanzenreste ebendaher; von J. M. Gompper in Laufen. 2 Fische von Ohmden aus dem Liasschiefer, von Kohb erger in Metzingen. 1 Ichthyosaurus tenuirostris , vollständiges Exemplar 5' lang aus dem Lias

von Holzmaden. 1 Kopfstück desselben ebendaher, von Hildenbrand in Dürnau.

X. Pflanzen:

(Zusammengestellt von G. v. Märten s.)

Herr W. v. Entress-Fürsteneck, K. Revierförster in Balingen, er- freute uns mit einem Geschenk von 10 selteneren Pflanzenarten unserer Jura- formation, darunter Taxus haccata L. von den bei unsern Paläontologen, wie bei unsern Botanikern, berühmten Lochen.

Herr Oberamtsarzt Dr. Robert Finckh in Urach übersandte die lockere Form einer bei uns den Kalkfelsen der Alp eigenthümlichen Stein-

8

breche (Saxifraga caespitosa ß laxa Koch) und ein auf dem Schwarzwald ungemein häufiges, auf der Alp aber seltenes Farnkraut (Polystichum spinu- losiim Dec.J

Herr Apotheker Fr. Valet in Schussenried bereicherte unser Herbar mit 79 Arten, wovon viele uns noch fehlten; darunter die von Holland den Rhein herauf zahlreich verbreitete, bei uns höchst seltene scharfe Diplotaxis tenuifolia Dec. von Wasseralflngen, wohin der Same mit Steinkohlen gekom- men sein könnte, zwei Nachkommen ehemaliger Gartenüüchtlinge : Eranthis hyemalis Salisburg vom Michelsberg bei Ulm und Crocus vernus L. vom Zavelstein, vier von der Hier uns zugeführte Bewohner der Alpen (Cerinthe alpina Kit., Linaria alpina Mill. , Pleurospermum ausiriacum Hoffm. und Salix incana Schrank.) und mehrere subalpine Gewächse nnseres Oberlandes.

Ganz neu für unsere Flora ist Bunias orientalis L. , welche Herr Valet ziemlich häufig bei Riedlingen fand. Diese „morgenländische Zacken- schote" wie ältere Schriftsteller sie nennen , ist, wie die ganze Gattung, ent- schieden Continental, besonders häufig in Russland, wo die jungen Triebe gegessen werden, dann nach Wahlenberg im östlichen Schweden, nach Baumgartner in Siebenbürgen. Von Russland oder Schweden brachten wohl Schiffe sie nach Bostock und Lübeck, wo Detharding, Reichen- bach und Koch sie angeben; dass sie auch bei Limburg vorkomme, beruht auf den wenig Glauben verdienenden Angaben Lejeune's in der Flora von Spa und bei Paris erwähnt sie Dec and olle (Begni veget. Syst. naturale IL 672; ausdrücklich als Gartenflüchtling. Bei Riedlingen ist sie also jeden- falls eiuer der äussersten südwestlichen Vorposten und wohl schwer zu er- klären , wie diese Pflanze, die nur in einzelnen botanischen Gärten gezogen wird, dahin gekommen sein mag.

Herr Oberamtsrichter Fuchs in Mergeutheim theilte uns 36 schön ein- gelegte Gefässpfianzen und 26 Laubmoose der dortigen Gegend mit , unter den ersteren Salvia vertlcillata L. und Coronilla montana Scopoli von den- selben Stellen, an welchen sie vor vierzig Jahren von Dr. Bauer entdeckt wurden, ebenso Tunica saxifraga Scopoli von der Mauer des Hofgartens, auf welcher sie Herr Apotheker Rathgeb schoa vor dem Jahre 1837 mit mehreren Felsenpflanzen aussäete, von denen nur diese sich bleibend er- halten hat.

Der Conservator selbst hat neben einigen Sämereien und Früchten 23 Arten geliefert, darunter ein halbes Duzand ächte Unterländer (Potentilla supina L., Aster parviflorus Nees, Calamintha offlcinalis Moench, Parietaria diffusa M. et K., Setaria verticillata Beauv. und Panicum sanguinale L.) aus den warmen Umgebungen von Laufen am Neckar.

Im Ganzen hat das Vereinsherbar seit der letzten Generalversammlung 171 Arten erhalten; die Zahl der in demselben noch fehlenden württember- gischen Phänogamen beträgt noch 186 Arten.

- 9

Einen interessanten Beitrag anderer Art erhielt unser Verein durch zwanzig grössere Hölzer, welche bei der im Mai d. J. in Stuttgart gehaltenen Versammlung der Forstmänner aufgestellt worden waren und in dem Bericht über diese ausgezeichnete Versammlung näher werden erwähnt werden. Wir beschränken uns daher darauf, zu bemerken , dass sich darunter ein Quer- durchschnitt einer Weisstanne von Liebenzeil befindet, aus welchem slcli er- gibt, dass solche 89 Jahre unter beengenden Nachbarn, dann noch 59 Jahre von solchen befreit gewachsen ist, sodann ein Stammtheil einer 87 Jahre alten Leg for che vom wilden See, welche in dieser Zeit 8'/2Fuss hoch von dem neugebildeten Torfmoore eingehüllt wurde, was ein Wachsthum äesSphagnuin von etwas über ein Zoll des Jahres gibt; endlich durch Borkenkäfer, Rüssel- käfer (Curculio pini L.) , Holzböcke (Ceramhyx heros L.J , Haselmäuse und Eichhörnchen beschädigte Baumtheile. An den von Eichhörnchen beschädig- ten jungen Stämmen ist die Rinde in einer regelmässigen Spirallinie abge- nagt, von den Haselmäusen ebenso, nur ist hier das spirale Band schmäler.

Die Vereins-Bibliothek hat folgenden Zuwachs er- halten :

a) durch Geschenke:

Synopsis Plantarum Glumacearum, Auetore E. G. Steudel. Stuttgartiae

1854. 8®. Pars L Gramineae. Pars H. Cyperaceae. Fase. IX.

Von dem Verfasser zur Erinnerung an die Generalversammlung in Esslingen. Uebersicht der Resultate mineralogischer Forschungen im Jahre 1852, von Dr. G. A. Kenngott. gr. 8».

Vom Verfasser. Von ebendemselben:

1) Mineralogische Notizen 1 14te Folge. 8**.

2) 60 Krystallformnetze zum Anfertigen von Krystall-Modellen. Wien 1854. 8".

3) Beiträge zur Bestimmung einiger Mineralien. 1850. 8*^.

4) üeber eine eigenthümliche Erscheinungsweise der elliptischen Ringsysteme am zweiaxigen Glimmer. 1851. 8*^.

5) üeber Einschlüsse von Mineralien in krystallisirtem Quarz. 1852. 8**.

6) Mineralogische Untersuchungen. 2 Hefte, 1852. 8^.

(Nr. 1 6 sind Separatabdrücke der math. naturwiss. Classe der k. k. Akademie der Wissensch. in Wien.) Württembergs Holz- und Straucharten mit besonderer Beziehung auf ihre Standörter von Dr. Calwer. Stuttgart 1853. Von der Verlagsbuchhandlung. Gümbel, Momente zur Ergründung des Wesens der Trauben- und Kar- toffelkrankheit u. s. w. Landau 1854. 4^. 8 Seiten. Von dem Verfasser.

MO

Die Conchylieu des norddeutschen Tertiärgebirges von Dr. E. Beyrich. 2te und dritte Lief. Berlin 1854. 8^.

Von dem Verfasser, Die Verhandlungen der „deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und gericht- liche Psychologie" und der Section für Psychiatrie und Anthropologie während der Versammlung zu Göttingen vom 18.— 24. April 1854. Red. von Dr. A. Erlenmayer. Neuwied. 1854. 8^. Von dem Redakteur. Ueber die Vegetationsverhältnisse an der mittlem Wolga. Mit einem Ver- zeichniss der in den Gouvernements Ssimhirsk und Ssamara in den Jahren 1847 1851 gesammelten phanerogamen Pflanzen von Dr. med. G. V eesenmayer. St. Petersburg 1854. 8^. Von dem Verfasser. Der fossille Gavial von Boll in Württemberg mit Bezugnahme auf die leben- den Krokodilinen nach seiner gesammten Organisation zoologisch ge- schildert von E. D' Alton und Dr. H. Burmeister. Mit 12 Tafeln. Halle 1854. Fol.

Von Prof. Dr. Burmeister. Recherches sur les Crinoides du Terrain Carbonifere de la Belgique, par L. deKoninck et H. Le Hon. Bruxelles 1854. A^. avec. 8 pl. Von Prof. Dr. de Koninck. Die Fische des Bodensees, untersucht und beschrieben von W. v. Rapp. Mit 6 Tafeln colorirt. Abbildungen. Stuttgart. 1854. Von dem Verfasser. Lehrbuch der Elementar-Geometrie für Schulen und zum Selbstunterricht verfasst von J. G. Fischer. Mit zahlreichen eingedruckten Figuren. Hamburg 1855. 8».

Von dem Verfasser. Von ebendemselben: Führer durch das naturhistorische Museum. Herausgegeben von der Museums- Commission. 1. Abtheilung: Wirbelthiere ; bearbeitet von J. G. Fi seh er. Hamburg. 1854. 8«.

b) Durch Austausch unserer Jahreshefte,

als Fort Setzung: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft.

Bd. V. 4. Heft.

Bd. VL 1-4. Heft. Berlin 1854. 8^. Abhandlungen der naturforschonden Gesellschaft zu Halle.

Bd. L 2—4. Quartal.

Bd. H. 1-3. Halle IS^Va^. 4^. Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen der schlesischen Gesellschaft für

vaterländische Kultur im Jahre 1848. Breslau 1849. 4^.

11 -

Nennundzwanzigster bis einunddreissigster Jabresbericlit der schlesiscben Ge- sellscliaft für vaterländische Kultur. Enthält: Arbeiten und Verände- rungen der Gesellschaft im Jahre 1851, 1852 und 1853. Breslau 4». Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathem. iiaturwiss. Classe. Wien. Bd. X. 1-3.

Bd. XII. Jahrg. 1854 2-4. Heft. Febr. März. Bd. XIII. 1 2. Heft.

Bd. XIV. 1 3. Heft. Oct. Dez. 1854. Bd. XV. 1. und 2. Heft. Jan. und Febr. 1855. 8». Register zu den ersten X. Bänden der Sitzungsberichte der mathem. natur-

wissensch. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften. 8*^. Almauach der kais. Akademie der Wissenschaften. V. Jahrg. 1855. 8**. Jahrbuch der k. k. Geolog. Reichsanstalt.

1853 IV. Jahrg. Nr. 4. Oct. Dez.

1854 V. Jahrg. Nr. 1. Jan. März. Wien. gr. 8«. M^moires de la soc. du Museum d'hist. naturelle de Strasbourg.

Tom. IV. 2. und 3. Livr. 1853. 40. Zwanzigster Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkunde 1854. 8**. Vierter Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.

Giessen 1854. 8«. Bulletin de la Societe geolog. de France. 2. Serie.

Tome X. Feuill. 34-40. Paris 1852-53. Tome XI. Feuill. 4-45. Paris 1853-54. 8^. Memoires de la Societe royale des sciences de Liege. Tome IX. Li^ge

1854. Jahresbericht über die Fortschritte der reinen, pharmac. und techn. Chemie, Physik, Mineralogie und Geologie von J. Lieb ig und H. Kopp. Für 1853. 1. und 2. Heft. Giessen 1854. Oestereichisches botanisches Wochenblatt. Redigirt von Alex. Skofitz. I. Jahrg. Wien 1851. IIL Jahrg. Wien 1853. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens. Herausgegeben von Prof. Dr. Budge. XL Jahrg. 3. und 4. Heft. Bonn 1854. 8». Memoires d'Academie imperiale des sciences, belles-lettres et arts de Lyon. Classe des sciences. (Nouv. Serie.)

Tome deuxie.me. Lyon 1852. 8^. Classe des lettres (Nouv. Serie.)

Tome second. Lyon 1853. 8^. Annales des sciences physiques et naturelles , d'Agriculture et d'Industrie, publikes par la Soc. imper. d'Agriculture etc. de Lyon.

12

Deuxieme Serie. Tome IV. 1852.

Tome V. 1853. 8«. Bulletins de l'Academie Royale des scienses etc. de Belgique. Tome XX. 3. partie 1853.

Tome XXI. 1. 1854. Bruxelles 1853-54 O». Annexe aux Bulletins 1853 54. Brux. 1854. 8«. Anuuaire de l'Academie Royale des sciences etc. de Belgiqne 1854. Ving-

tieme ann^c. Bruxelles 1854. 8**. Collection de Chroniques Beiges inedites publie par ordre du Gouvernement.

Bruxelles 1854. 40. Verslagen en mededeelingen der koninklijke Akademie van Wetenschappen. I. Deel 1—3. Stuck.

IL Deel 1 en 2. Amsterdam 1853 54. 8^, Verhandelingen der kon Akademie van Wetenschappen. I. Deel. Amsterdam

1854. 40. Bulletin de la Socie'te Imperiale des naturalistes de Moscou. Anne'e 1853. Nr. 3 und 4. Mose. 1853. Annee 1854. Nr. 1. Mose. 1854. 8«. Verhandlungen der naturforsclienden Gesellschaft in Basel. 1. Hft. 1854. 8**. Ueber das Bestehen und Wirken des naturforschenden Vereins zu Bamberg.

Zweiter Bericht. 1854. 4^. Smithsonian Contributions to knowledge. Vol. VI. "Washington 1854. 4^. Seventh Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Insti- tution, for the Year 1852. Washington 1854. 8^. Directions for Collecting, Preserving und Transporting Specimens of nat.

history. 2. Edition. 1854. 8^. Registery of Periodical Phenomena. Ein Bogen.

Catalogue of the described Coleoptera of the United States, by F. E. Meis- heim er M. D. revised by S. S. Hai dem an und J. L. Leconte. Washington 1853. 8^. List of Foreign institutions in corresponding with the smithsonian Institu- tion 1854. 80. The annular Eclipse of May 26. 1854, by J. C, Dobbin. Washington

1854. 8«. Portraits of N. American Indians etc. 1852. 8*^.

Report of a Geological Survey of Wisconsin , Java and Minnesota ; and inci- dentally of a portion of Nebraska Territory, by D. D. Owen. Philad. 1852. 1. Vol. und 1 Map. 4», Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia. VoL VI. Nr. VIIL-XIL 1852—53. VoL VIL Nr. I. und IL 1854. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 8. Heft. Neubrandenburg 1854. 8^.

13

Correspondeuzblatt des uaturforschcudeu Vereins zu Riga. VII. Jahrgang.

1853-54. 80. Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg.

V. Bd. 1. und 2. Heft. Würzburg 1854. S^. Geognostische Karte der Umgebungen von Krems und vom Manhardsberge

von Job. Czjzek. 1849. Die geologische Uebersichtskarte des mittleren Theiles von Südamerika von

Franz Foetterle mit einem Vorwort von W. Haidinger. Wien

1854. 8«.

Neueste Schriften der naturforscheuden Gesellschaft in Danzig.

Bd. V. 2. Heft. Danzig 1855. 8^. Korrespondenzblatt des zoolog. mineralogischen Vereines in Regensburg.

8. Jahrg. 1854. 8». Abhandlungen des zoologisch-mineralogischen Vereins in Regensburg. 5. Hft.

1855. 8«.

Verhandlungen des zoologisch-botan. Vereins in Wien. Bd. IV. 1854. 8**. Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg.

Bd. V. 3. Heft. 1855. 8«. Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Herausgegeben von dem naturwissenschaftlichen Vereine für Sachsen und Thüringen in Halle. Jahrg. 1854. III. und IV. Band. 1854. 8^. Dritter Jahresbericht über die Wirksamkeit des Wernervereins zur geologi- schen Durchforschung von Mähren und Schlesien im Vereinsjahre 1853. Wien 1854. 8«.

c) Durch erst in diesem Jahre eingeleiteten Tausch ve rke hr:

Jahresbericht der Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau, pro 1850 51. 1851.

pro 1851-53. 1854. 8^. Me'moires de l'Academie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon.

Deuxieme Serie. Tome I. und II. 1851, 52, 53. 8». Bulletin de la Societe des siences naturelles de Neuchatel.

11. Nov. 1853 19. Mai 1854. pag. 95-182. 8*^.

Hieran schloss sich folgender Bericht des Vereinskassiers, Apotheker Weismann, über den Stand der Vereinskasse:

Reclinung-sableg-ung-

bei der Generalversammlung zu Stuttgart

am 29. Juni 1855. Ich habe die Ehre, der hochverehrten Versammlung Bericht über den Stand unserer Vereinskasse zu erstatten , und zwar über die Rechnung des eilften Jahrgangs 18^^.

14 ~

Am 1. Juli ]S54 betrug das Vermögen:

a) Capitalien fl. 3711. 15.

b) Ausstände 65. 42.

c) Cassenvorrath 149. 22.

fl. 3926. 19. Von den 24 Ausständen des vorigen Jahres sind im Laufe dieser Periode bezahlt worden:

20 Actien mit fl. 54.

4 Actien wurden in Abgang gerechnet mit 10. 48.

die Hefte aber zurückerhalten,

in Ausstand blieb ein Rest mit ... 54.

Von dem Grundstock wurden an Activ-

Capitalien heimbezahlt 0

An Capitalzinsen wurden eingenommen . fl. 153. Im vorigen Jahr war die Zahl der Mitglieder 305 mit 324 Actien. Zuwachs in dieser Periode 15 und zwar durch die Herren: Revieramtsverweser Bührlen in Rottenburg, Revierförster v. Zell in Zwiefalten, Kubier, Secretär bei der Postcommission, Oberförster Fromm in Esslingen, Ingenieur Eb. Klemm in Romanshorn, Dr. Juris Otto Eiben, Med. Dr. Kettenbach,

Andler, Professor Rau in Hohenheim,

Dr. Wolff in Hohenheim. Partie. Ferd. Glocker, Kaufmann S c h a 1 1 e r in Gross- Aspach , Jakob Hilden br and, Geognost in Dürnau, Professor Dr. H a e n e 1 an der poly t. Schule , Oberfinanzrath Renne r. Die Actienzahl 339 hat sich durch den Austritt von 17 Mit- gliedern urn 17 vermindert; die Ausgetretenen sind die Herren: Med. Dr. Schmidt in Mezingen, Apotheker Blezinger hi Gaildorf,

15 -

Apotheker Barth in Leonberg, Pitsch in Sulzbach,

Pfarrer Gaupp in Bissingen,

Heu SS in Oppclsbohm, Med. Dr. Mebold in Heidenheim, Apotheker Bilhuber in Vaihingen, Kechtsconsulent Jordan, Professor Oft erdinger in Ulm, Med. Dr. Schmidt in Tübingen.

Gestorben sind die Herren:

Stadtschultheiss Closs in Murrhardt, Oberamtsarzt Dr. B u z o r i n i in Ehingen , Obermed.-Rath Dr. v. Sehe Hing, Med. Dr. Mauz in Esslingen, ^ Finanzrath Kurz, Redacteur Carl Eiben.

Die Zahl der Actien ist nun 322 , welche

ä fl. 2. 42 fl. 869. 24.

betragen; davon wurden 320 bezahlt mit . . . 864.

im Ausstand blieben 2 5. 24.

Als Beitrag pro 18^| von der Königl. Centralstelle 75. Die ausserordentliche Einnahme beträgt ... 4. 48. Auf den Grundstock wurden in diesem Jahr hin- geliehen . . . •. 400.

Die laufenden Ausgaben betragen:

1) für Porto etc fl. 29. 9.

2) Mobilien 51. 18.

3) Vermehrung der Sammlung 179. 4.

4) Buchdrucker- etc. Kosten 261. 44.

5) Reinigung des Locals . 5. 30.

6) Aufwärter 116.

7) ausserordentl. Ausgaben . 3. 12.

8) Capitalsteuer .... 9. 24.

fl. 655. 21,

- 16 -

VermÖgens-N ach Weisung des Vereins auf den 1. Juli 1855. Am 1. Juli 1854 war der

Activcapitalstand . . . fl. 3711. 15. Hiezu ausgeliehen . . . 400.

ü. 4111. 15. Davon Ablösungen

Rest fl. 4111. 15.

Hiezu die Activausstände 6. 18.

den Cassenbestand 244. 49.

Rest somit Vermögensstand am 1. Juli 1855 fl. 4362. 22. Am 1. Juli 1854 betrug das Vermögen:

a) Capitalien . . . fl. 3711. 15.

b) Ausstände ... 65. 42.

c) Cassavorrath . . . 149. 22.

fl. 3926. 19. Somit Zunahme fl. 436. 3.

Die Versammlung schritt sofort zur Neuwahl der Vor- stände und zur Ergänzung des Ausschusses. Auf den Antrag des Herrn Oberbaurath v. Bühler wurden die bisherigen Vorstände, Prof. Dr. v. Rapp als erster, Prof. Dr. v. Kurr als zweiter Vorstand einstimmig wieder gewählt. Ebenso wählte die Versammlung, auf Antrag des Herrn Oberbaurath v. Fischer, einstimmig wieder die acht , diesmal , austretenden Ausschuss- mitglieder.

Der Ausschuss besteht somit aus folgenden Mitgliedern: Gebliebene:

Professor Dr. Fleischer in Hohenheim,

Apotheker Dr. Hai dien in Stuttgart,

Professor Hochstetter in Esslingen,

Obermedicinalrath Dr. v. Jäger,

Professor Dr. Köstlin,

Professor Dr. v. Kurr,

Handlungsvorsteher Reiniger,

Director v. Seyffer, sämmtlich in Stuttgart.

17 -

Neugew älilte: Professor Dr. v. Fehling, Medicinalrath Dr. Hering, Generalstabsarzt Dr. v. Klein, Professor Dr. Krauss, Kanzleirath v. Märten s, Professor Dr. Plicninger, Graf V. Seckendorff, Apotheker Weis mann, sämmtlich in Stuttgart.

Zu Ergänzungsmitgliedern des Ausschusses wurden in der Sitzung vom 16. August gewählt:

Oberreallehrer Blum,

Finanzrath Es er,

Dr. 0. Fraas,

Professor Holtzmann,

Oberpostrath v. Scholl,

Bergrath v. Seh üb 1er, sämmtlich in Stuttgart.

Für den Ort der nächsten Generalversammlung wurde Tübingen und zum Geschäftsführer Professor Dr. v. Kapp erwählt.

Sodann fasste die Versammlung definitiven Beschluss über die Aenderung der §§. 11 und 13 der Statuten, wie dieselbe schon auf der letzten Versammlung zu Esslingen beantragt wor- den war (Jahrg. XI. p. 19). Diese Paragraphen lauten von nun an folgendermassen :

§. 11. Die Mitglieder wählen zur Besorgung der Vereins - Angelegen- heiten einen Ausschuss aus ihrer Mitte, welcher in Stuttgart seinen Sitz hat. Er besteht aus einem ersten und zweiten Vorstand und aus 16 Mit- gliedern. Zu Fassung eines gültigen Beschlusses wird ausser dem Vor- sitzenden die Anwesenheit von mindestens 6 weiteren Ausschussmitgliedern erfordert.

§. 13. Die Generalversammlung wählt ausser den Ausschussmitgliedern den ersten und zweiten Vorstand des Vereins. Der Ausschuss wählt aus seiner Mitte die Stellvertreter für den ersten und zweiten Vorstand oder einen Vorsitzenden für die jeweilige Sitzung , sowie die Secretäre und den Kassier.

Württemb. nalurw. Jahreshefte. 185fi. Is Hcfl. 2

- 18 - '

Hierauf begannen die Vorträge , und zwar 1. mit einem Nekrolog auf ßergrath Faber du Faur, welchen Bergrath V. S c h ü b 1 e r vortrug.

Zum Andenken an Bergrath v. Faber du Faur, geboren den 2. December 1786, gestorben den 22. März 1855.

Es ist mir der Auftrag geworden , zum Andenken des allge- mein verehrten und um die Anwendung der Wissenscliaft hoch- verdienten Mannes, des Bergrath v. Faber du Faur einige Worte zu sprechen, was ich um so bereitwilliger übernommen habe, als der Verstorbene mir nicht nur Freund und College, sondern auch beim Beginnen meiner Laufbahn im Bergfache Lehrer war und ich Gelegenheit hatte, seine Strebungen und Leistungen während eines Menschenalters zu beobachten und zu deren Anwendung mitzuwirken.

Ein Nekrolog F ab er 's wird demnächst veröffentlicht wer- den, ich beschränke mich daher darauf, seine Stellung zu der Wissenschaft zu bezeichnen.

Faber vereinigte mit der wissenschaftlichen Untersuchung die praktische Anwendung mit einer so glücklichen und scharfen Combinationsgabe , dass er durch seine Einrichtungen und Ent- deckungen im Fache der Metallurgie einen weit verbreiteten Namen sich erworben hat. Aber auch die Wissenschaft ver- dankt seinem unermüdlichen Streben viele neue Wahrnehmungen, welche er als gründlich gebildeter Techniker hauptsächlich durch Arbeiten in der Grube und in der Hütte zu erheben wusste, wobei er unbedenklich auch den ersten Autoritäten entgegen trat, wenn seine Beobachtungen mit diesen nicht übereinstimmten. Dabei muss ich erwähnen, dass Faber in der Chemie ein Schüler Kielmeyer 's, in der Mineralogie und Geognosie ein Schüler Werner 's war. Diese grossen Denker hatten die Wis- senschaft auf den Grund von Beobachtungen aufzubauen , welche gegen dem gegenwärtigen Reichthum an Material als unbedeutend erscheinen könnten , wenn nicht das geistige Band diese lockern Findlinge zusammengehalten hätte. Die Methode der Beobach- tung war das Verdienst dieser Lehrer und durch diese waren

19 -

die Schüler im Stande , auf der gegebenen Grundlage weiter zu bauen.

Als eine Streitfrage, welche längst gelöst ist und an welche die Geognosten der jetzigen Zeit nur mit einem mitleidigen Lächeln zu denken versucht sein könnten , war vor 40 Jahren das Alter des Jurakalks vielfach behandelt. Werner und Freiesleben hatten Alpenkalk und Jurakalk mit dem Zechstein im Alter gleich gesetzt. Als ich im Jahr 1818 und 1819 unter der Leitung Faber's mich dem Grubenbetrieb in Wasseralfingen widmete, waren die Schüler Werner's der Ansicht, unsere Thoneisen- steinflötze seien blos an den Jurakalk angelagert, was für unsern Grubenbetrieb von sehr praktischer Bedeutung w^erden konnte. Durch Leopold v. Buch und meinen Bruder in die neue Clas- sification des Jura's eingeweiht, fand ich bei den Schülern Wer- ner's wenig Anklang. Um die schwebende Streitfrage zur Ent- scheidung zu bringen , liess F a b e r , als der Mann der That, einen Stollen unter den Jurakalk des Braunenbergs mit Geneh- migung des königl. Bergraths treiben und ich erinnere mich noch lebhaft, wie ungläubig diese von Faber mir mitgetheilte Kunde in Freiberg von den Schülern Werner's aufgenommen wurde. Das Alter des Jura's war aber durch Faber's Arbeit für alle Zeiten constatirt.

Als um das Jahr 1830 die ersten Nachrichten über die Anwendung der erwärmten Gebläseluft aus Schottland nach dem Continent kamen, wurden diese Nachrichten vielfach als Täuschun- gen aufgenommen und Karsten die erste Autorität im Eisen- hüttenfache — sprach sich dagegen aus, weil nach einer bekannten Erfahrung die Hohöfen im Winter bei kalter Luft einen bessern Gang zeigen , als im Sommer bei w^armer Luft. F a b e r richtete dennoch einen Apparat zu Erwärmung des Windes ein und eine Ersparniss von i bis -t des Kohlenbedarfs war das Ergebniss. Er erlebte die Genugthuung, dass seine Apparate nachher in der ganzen hüttenmännischen Welt sich Eingang verschafften und die preussische Regierung selbst deren Nachbildung anordnete. Die Theorie wurde auch bald auf die richtige Erklärung geleitet, dass die durch die warme Luft dem Ofen zugeführte Feuchtig-

2*

- 20 -

keit der Grund des schlechten Ofengaiigs im Sommer ist, nicht die Wärme der Luft.

Die Apparate zu Erwärmung der Gebläseluft mittelst der Gichtflamme führten Faber zu weitern Erfahrungen über die Natur der Hohofengase.

Die Gichtflamme wurde schon längst zu technischen Zwecken benützt, aber die Menge der in derselben enthaltenen gebundenen Wärme war nicht richtig erkannt worden. Faber fand, dass die Apparate für Erwärmung des Windes sich stärker erhitzten, wenn Luft mit den Gichtgasen in den Apparat einströmte, und ermittelte durch Versuche das richtige Verhältniss der Luftzu- führung. Er erreichte aber nur dadurch den grössten Effect, dass er durch Zuleitung erwärmter Luft die Verbrennung der Gichtgase vollständiger und rascher bewerkstelligte.

Diese Entdeckung machte in den Jahren 1837 und 1839 in der ganzen hüttenmännischen Welt die gespanntesten Erwar- tungen rege und Faber wurde in allen Weltgegenden als der Schöpfer einer neuen Aera in der Hüttenindustrie gepriesen. Faber war unermüdlich in Versuchen, die Beschaffenheit der Hohofengase in den verschiedenen Schichten der Ofenfüllung zu ermitteln und durch zweckmässige Windführung den Gasen den höchsten Eff"ect abzugewinnen.

Zu analytischen Untersuchungen über die Zusammensetzung der Hohofengase wurde durch diese Arbeiten Anstoss gegeben und der Hohofenprocess , welcher der ganzen Eisenindustrie als Grundlage dient und bisher in geheimnissvolles Dunkel gehüllt war, wurde durch die Untersuchungen von Bunsen, Ebel- man und andern Chemikern auf eine wissenschaftliche Grund- lage gebracht , wozu F a b e r , dessen Laboratorium der Schmelz- ofen war, hauptsächlich Veranlassung gab.

Es konnte nicht fehlen, dass auf die überspannten Erwar- tungen , welche von der Anwendung der Hohofengase gehegt wurden und wozu mehr die Schüler Faber's, die sogenannten Gas-Apostel , beitrugen , als er selbst , ein Rückschlag erfolgte.

Es mussten die Umstände ermittelt werden, unter welchen die Benützung der Hohofengase ohne Nachtheil für den Hohofen-

21 -

process stattfinden konnte, und diese Untersuchungen waren noch nicht zu Ende gebracht, als die Gesundheit Faber's durch geistige und körperliche Anstrengungen so angegriffen wurde, dass er dem praktischen Hüttendienst zu entsagen und eine Be- schäftigung im Bergraths-Collegium zu suchen veranlasst war, welche jedoch nur kurze Zeit währte, indem wiederholte Schlag- anfälle den Zurücktritt von allen Geschäften dem rastlosen Manne abnöthigten.

Als das Verdienst Faber's muss angesprochen werden, dass er die in den Hohofengasen enthaltene gebundene Wärme durch zweckmässige Verbrennung des Kohlenoxydgases zu be- nützen lehrte, während früher hauptsächlich die in der abziehen- den Gichtflamme enthaltene freie Wärme benützt wurde und die Verbrennung mehr dem Zufall überlassen war. Die Benützung kann auf die verschiedenste Weise geschehen und nach Erfor- derniss können die Gase auf beliebige Entfernungen geleitet wer- den, um erst an dem Ort des Bedarfs zur Benützung zu kommen; immer ist die zweckmässigste Art der Verbrennung mittelst An- wendung erwärmter Luft für den Erfolg entscheidend, wenn die höchsten Hitzgrade verlangt werden.

Aus den Arbeiten über die Anwendung der Hohofengase gingen die Versuche mit den Gasgeneratoren hervor, mittelst welcher Brennstoffe aller Art in Kohlenoxydgas verwandelt wer- den und zu Darstellung der höchsten Hitzgrade dienen , wie sie das Schmelzen und Schweissen des Eisens erfordern.

Auch über die zweckmässigste Construktion dieser Oefen verbreiteten sich die Arbeiten Faber's und die Anwendung der Gaserzeugungs-Oefen hat sich in denjenigen Gegenden weiter ausgebildet, wo als Brennmaterial nicht Steinkohle, sondern Holz und Torf für Flammfeuerung verwendet werden.

Auf diese Weise haben Faber's Arbeiten über die An- wendung der Hohofengase ein neues Feld gewonnen, auf welchen ihnen eine praktische Anwendung für alle Zeit gesichert ist.

Wir sehen in Faber das ausgeprägte Beispiel eines Mannes, welcher die wissenschaftliche Forschung mit ihrer Anwendung auf die materiellen Aufgaben der Technik zu vereinigen im hohen

- 22

Grade verstand. Sein hänsliches und sein Berufsleben waren nicht ohne bittere Erfahrungen und mühevolle Kämpfe; ihm war aber das seltene Glück, dass er in einem Zeitraum von mehr als 30 Jahren seine Thätigkeit der Vervollkommnung des seiner Leitung anvertrauten Hüttenwerks widmen und auch dem rech- nenden Beobachter einen in Zahlen darstellbaren Maasstab für den Erfolg seiner Strebungen an die Hand geben konnte. Was- seralfingen hob sich von einer einfachen Masselnhütte auf den Rang einer der ersten Giessereien des Continents und die Er- höhung des Ertrags während dieser Zeit lässt sich nach Millio- nen rechnen.

Die unvermeidlichen Rechnungsdefecte erledigten sich leichter, wo solche Ergebnisse vorlagen und bei so reicher Ernte wurde auch von den vorgesetzten Behörden die Aussaat für Versuche weniger ängstlich bemessen. Die Werke F ab er 's rechtfertigten auf glänzende Weise das geschenkte Vertrauen und sein Andenken segnet eine Menge fleissiger Bürger, denen sein wissenschaftliches Streben Arbeit für Menschenalter gesichert hat.

Unser Verein erfüllt eine Pflicht der Dankbarkeit, wenn er den Verdiensten des Verstorbenen um die Anwendung der Wis- senschaft auf das Leben seine Anerkennung zollt.

In Betreff des durch erwärmte Luft gewonnenen Eisens stellte Apotheker Dr. L e u b e von Ulm die Anfrage , ob nicht auch anderswo die Beobachtung gemacht worden sei, ^e man vor bereits 15 Jahren in der Gasfabrik zu Carlsruhe ge- macht und worüber L. seiner Zeit in Gmünd berichtete, indem die eisernen Retorten für die Gewinnung von Steinkohlengas, welche aus Eisen durch warmes Gebläse gewonnen, schon nach drei Monaten zerstört waren, während solche aus demselben Eisenerze durch kaltes Gebläse gewonnen, drei Jahre lang gebraucht werden konnten. Bergrath v. Schübler erwiederte hierauf, dass man allerdings da mid dort ähnliche Erfahrungen gemacht habe, dies aber von der Beschaffenheit gewisser Eisen- erze herzurühren scheine, indem durch den höhern Hitzgrad des Schmelzprocesses Erdbasen reducirt und dem Eisen beigemischt werden, welche bei niedrigem! Hitzgrade in die Schlacke übergehen.

- 23

IT. Professor Dr. v. Rapp trug folgende Beobachtungen über den AV i n t e r s c h 1 a f vor :

Zu den merkwürdigen Erscheinungen im thierischen Haus- halt gehört der Winterschlaf, jener Zustand von Scheintod, in welchen manche Thicre verfallen, wenn sie einer niedern Tem- peratur ausgesetzt sind. Dem Winterschlaf sind mehrere Säug- thiere und viele Reptihen unterworfen; auch unter den wirbel- losen Thieren zeigt sich bei dem Einfluss einer niedern Temperatur dieser lethargische Zustand , und analoge Erscheinungen bietet auch das Pflanzenreich dar, doch ist auch hier der gewöhnliche Schlaf und der dem lethargischen Zustande der Thiere vergleich- bare Zustand zn unterscheiden.

Bei den Säugthieren kommen Beispiele von WinterschLäfern vor unter den fleischfressenden Thieren im weitem Sinn und bei den Nagthieren. So zeigen die Fledermäuse in unsern Gegenden den Winterschlaf, ferner der Igel. Der Dachs verschläft wohl einen grossen Theil der kalten Jahreszeit, doch ist es keine tiefe und anhaltende Lethargie und der Dachs kommt auch im Winter, wenn die Kälte nicht heftig ist, zum Vorschein. Einen AYinter- schlaf halten die Haselmäuse (Myoxus) , das Murmelthier und einige ihm verwandte Arten, ferner der Hamster, Spermophilus cltiUus, Dipus. Die Winterschläfer sind von den übrigen Säug- thieren dadurch verschieden , dass die Temperatur ihres Blutes sich nicht unabhängig behauptet von der Temperatur der Luft, sondern abnimmt, wenn die umgebende Atmosphäre kälter wird.

Man schreibt aber einigen Säugthieren mit Unrecht einen Winterschlaf zu. So wird vom Waschbären (Procyon lotor) an- gegeben, er verfalle in einen Winterschlaf. Seit einigen Jahren bin ich im Besitz eines Waschbären aus Nordamerika, der nie ein Zeichen von Winterschlaf gezeigt hat, ungeachtet dieses Thier nie in ein warmes Lokal gebracht wird. Von der Sandmaus (Psammomys obesus) in Aegypten wird im Atlas zu Rüppell's Reise*) angegeben, es sei nicht zu bezw^eifeln, dass dieses Thier

•) S. 59.

24 -

einen Winterschlaf halte, da es im Winter nie gesehen werde, aber ich hielt den ganzen Winter über zwei dieser afrikanischen Thiere, die mir Herr Dr. Günther geschickt hatte; sie waren stets munter, auch wenn andere Thiere, die neben ihnen sich befanden, in den Winterschlaf verfallen waren. Sie waren in einer Nacht einer Kälte von -j- 1^ R. ausgesetzt und blieben dabei munter. Es sind nächtliche Thiere.

Man hat von einem Sommerschlaf gesprochen, welchen der Tenrek fCentetesJ, ein dem Igel verwandtes Thier, das in Mada- gaskar und Mauritius sich findet, unterworfen sei, aber spätere Nachrichten, welche Tel fair *) und Desjardins **) mitgetheilt haben , widersprechen dieser Behauptung , indem der Tenrek in der kältern Jahreszeit in einen lethargischen Zustand zu ver- fallen scheint.

Nachdem ich seit einigen Jahren Beobachtungen über den Winterschlaf angestellt habe, komme ich jetzt, um Ihnen einige Resultate vorzulegen.

Ich hielt in der Gefangenschaft die drei Arten von Myoxus (Haselmaus) , welche in Württemberg vorkommen , Myoxus glis, nitela, aveUanarhis. Die beiden ersten werden nicht leicht zahm und wenn sie in wachendem Zustande sind, kann man sie nicht anfassen , ohne gebissen zu werden ; dagegen ist die kleine Hasel- maus (Myoxus avellanarius) sogleich zahm, nachdem man sie gefangen hat und macht nie einen Versuch, zu beissen. Die Haselmäuse sind nächtliche Thiere, den Tag über verbergen sie sich , darin stimmen mit ihnen die meisten winterschlafenden Säug- thiere überein, doch nicht alle, z.B. das Murmelthier. Myoxus nitela kommt in Württemberg seltener vor, als die beiden andern Arten, findet sich jedoch in der Gegend von Tübingen, wie auch die beiden andern Arten von Myoxus. Ich hatte ferner zwei Hamster, welche aber, da sie nicht jung eingefangen waren, nicht zahm wurden , auch vertrugen sie sich nicht mit einander, dagegen die Haselmäuse alle mit Thieren ihrer Art im Frieden

*) ProceediDgs of the zoological Society of London. 1830 1831. p. 89. "} Annales des sciences naturelles p. 179. 1830.

25 -

zusammen lebten. Ich hatte ferner em Murmelthier und zwei Spermophilus citillus aus Schlesien. Diese waren ganz zahm. An dem Igel machte ich wenig Beobachtungen, er ist übel zu handhaben.

Im Zustande des Winterschlafs sind die Süugthiere kugel- förmig zusammengerollt, torpid, die Füsse sind an den Leib angezogen. Bei den langgeschwanzten , wie bei Myoxus ist der Schwanz gegen die untere Seite des Leibes angelegt bis zu dem Kopf. Die Augen sind geschlossen, ja ich fand, dass auch die Ohren geschlossen sind. Bei der kleinen Haselmaus ist in diesem Zustande die Ohrmuschel an den Kopf angedrückt und bildet zur Verschliessung des Gehörgangs eine doppelte Klappe, indem der vordere Rand des äussern Ohrs rückwärts gebogen wird, der hin- tere Rand aber ist vorwärts eingeschlagen, dadurch wird die Ohr- öffnung völlig geschlossen. Bei der grossen Haselmaus (Myoxus glisj ist im Winterschlaf das äussere Ohr abwärts geschlagen und bedeckt klappenförmig den äussern Gehörgang, und ein Haar- büschel unter demselben vervollständigt die Verschliessung. Beim Hamster drückt sich der obere Theil der Ohrmuschel wie eine Klappe auf die Mündung des äussern Gehörgangs. Bei Sper- mophüus citillus ist das äussere Ohr sehr klein, aber die Ver- schliessung des Gehörgangs geschieht während des Winterschlafs dadurch, dass die Ohröffnung sich vollständig zusammenzieht.

Von den Sinnwerkzeugen ist also das Auge und das Ohr verschlossen , aber auch die Werkzeuge des Tastsinns fand ich in einem veränderten, gleichsam in einem geschlossenen Zustande. Die Tastwerkzeuge sind bei den Säugthieren , mit Ausnahme des Menschen, wenig ausgebildet, doch dienen manchen ihre langen, beweglichen Bartborsten als empfindHches Tastorgan. Im Zu- stande des Winterschlafs nun sind, wie ich es bei den Hasel- mäusen und beim Hamster beobachtete, die langen Bartborsten, welche von der Oberlippe ausgehen, in einen Büschel vereinigt und rückwärts gerichtet an den Kopf angelegt, da sie, wenn die Thiere im wachenden Zustande sich befinden , strahlenförmig aus einander laufen.

Bildet man bei einem im Winterschlaf befindlichen Thier

- 26 -

eine Hautfalte, z. B. an den Seiten, an dem Rücken, so bleibt sie stehen , wie bei einem todten Thier , da sie doch sonst schnell sich wieder ausgleicht.

Was die Lüfttemperatur betrifft, durch welche der lethar- gische Zustand herbeigeführt wird, so lässt sich darüber keine allgemeine Regel feststellen, ja, wenn man Thiere derselben Art beobachtet, so trifft man oft neben denen, die im Winterschlaf liegen, auch wachende an ; so fand ich es bei den Haselmäusen, beim Hamster, bei Spermophilus citillus, die gleiche Beobach- tung wurde auch von Barkow*) und von Andern gemacht. Die kleine Haselmaus (Myoxus avellanariusj fand ich gewöhnlich bei einer Temperatur von + 5^R. im Winterschlaf, doch bei + lO^R. Morgens fand ich einige im Winterschlaf, andere waren munter, zuweilen war diese Haselmaus bei einer Temperatur von + 12^ R. noch im Winterschlaf. Myoxus glls war bei + 5^ R. oft noch munter , bei einer Temperatur der Luft von + 4^ R. waren sie zuweilen im Winterschlaf. In einer Höhle, welche eine Tempe- ratur von -f- 9*^ R. zeigte , waren die Fledermäuse im Winter- schlaf. Der Hamster widerstand der Kälte am längsten, ehe er in Winterschlaf verfiel. Es ist längst bekannt, dass man die Winterschläfer schnell in den lethargischen Zustand versetzen kann, wenn man sie künstlich erkältet, z. B. in einen Eiskeller bringt. Uebrigens gibt es zwischen dem Winterschlaf und dem wachenden Zustande viele Mittelstufen. Die grosse Haselmaus und der Hamster fühlen sich dann zwar kalt an, knurren aber, wenn man sie beunruhigt, haben die Augen und Ohren halb ge- schlossen , machen unsichere Bewegungen , taumeln. Der Hamster gibt einen schnarchenden, grunzenden Ton von sich, wenn er im Winterschlaf, der nicht tief ist, beunruhigt wird, ebenso der Igel. Dieser Ton wird nach Barkow dadurch hervorgebracht, dass der Kehldeckel im Zustande des Winterschlafs an den weichen Gaumen fest angeklebt ist und nur mit einiger Anstrengung ge- löst werden kann.

Die Thiere lassen sich ausserordentlich leicht im Winter-

') Der Winterschlaf. Von Barkow. 1S46.

27

schlaf stören. Nicht nur wenn man ein solches Thier in eine wärmere Luft bringt, in ein warmes Zimmer, erwacht es etwa nach einer halben Stunde oder einer Stunde ; sondern im tiefen Winterschlaf ist die Sensibilität nicht erloschen, es stellen sich Bewegungen , Inspirationsversuche ein , wenn man ein solches schlafendes Thier von der Stelle bewegt, wenn an den Tisch angestossen wird, auf dem es sich befindet, wenn man es an- bläst u. dergl. ; so fanden es auch Barkow, Hall u. A.

Einzelne Widersprüche in den Beobachtungen an den Thieren im Winterschlaf lassen sich dadurch erklären. Ueberhaupt dauert der W^interschlaf bei vielen nicht ununterbrochen fort. Besonders bei der kleinen Haselmaus habe ich oft wahrgenommen , dass sie vollkommen erwacht, Nahrung zu sich nimmt und nach einigen Stunden wieder in den lethargischen Zustand geräth. Bei solchen Winterschläfern, welche in einer ganz gleichförmigen Temperatur sich befinden, z. B. in Höhlen, wo sie überhaupt jeder Störung entzogen sind, verhält sich dieses anders; so schlafen die Mur- melthiere in ihren Höhlen unter der Erde ununterbrochen ein halbes Jahr und darüber.

Die Winterschläfer können stärkere Kälte nicht ertragen, sie sterben. Die grosse und die kleine Haselmaus, der Hamster, Spermophilus citillus , erfroren , als ich sie einer Kälte von bis 10"^ R. die Nacht über aussetzte, ungeachtet diese Thiere in ihren Behältern reichlich mit Moos und mit Schafwolle ver- sehen waren ; ich fand diese Thiere Morgens kugelförmig zusam- mengerollt, wie im Winterschlaf, aber hart gefroren. Andere kleine Säugthiere , welche keinen Winterschlaf halten , z. B. Mus minutuSj ertrugen diese Kälte ohne allen Schaden.

Die Thiere, welche im Winterschlaf liegen, sind kalt, ihre Temperatur ist um wenige Grade höher, als die der Luft. Der Hamster, welcher bei einer Temperatur der Luft von + 2'- R. im Winterschlaf lag, zeigte in der Gegend des Herzens eine Wärme von + ^^^ I^« Bei der grossen Haselmaus , welche bei einer Temperatur der Luft von -f- 2" R. im Winterschlaf war, zeigte der Thermometer, dessen Kugel in die Gegend des Her- zens gebracht wurde , + 6^ R. Bei Spermophilus citillus im

- 28

Winterschlaf bei einer Temperatur der Luft von -f 3^ R. zeigte der Thermometer an der Brust in der Gegend des Herzens -f 4^ R.

Im tiefen , vollständigen Winterschlaf steht die Respiration zeitweise still ; man bemerkt keine Respirationsbewegungen. *) Diese Beobachtung muss aber mit Vorsicht angestellt werden, weil, wie schon erwähnt wurde, der Winterschlaf durch Anfassen des Thiers, durch Versetzung in eine andere Lage gestört wird, es stellen sich leichte Bewegungen , Respirationsversuche ein. Wenn man ein Thier im Winterschlaf mehrere Minuten lang beobachtet, so bemerkt man zuweilen, nach einigen Minuten Ruhe, einige schwache Respirationsbewegungen, die aber dann wieder aufhören. Dass die Respiration doch nicht ganz stille steht, geht aus einem Versuch von Prun eile hervor,**) derein im Winterschlaf befindliches Murmelthier tödtete, indem er es in eine Atmosphäre von Kohlensäure versetzte.

Nach Sacc in Neuchatel wird ein Murmelthier im Winter- schlaf schwerer. ***) Diese Zunahme des Gewichts beträgt in zwei Tagen 1 2 Gramme, zuweilen etwas darüber. Das Gewicht dieser Thiere betrug 1182 3027 Gramme. Doch wurde nicht beständig dieses Schwererwerden beobachtet ; es scheint, dass der höhere oder niedere Grad des lethargischen Zustandes von Ein- fluss war, beim höhern Grad des Winterschlafs w^ar die Zunahme des Gewichts am merklichsten.

Es stehen übrigens diese Versuche im Widerspruch mit früheren Beobachtungen.

Nach Prunelle wurde ein Murmelthier im Winterschlaf in 43 Tagen um 1440 Gran leichter. Fledermäuse im Winterschlaf wurden in 21 Tagen um V3.2 i^^^'^s Gewichts leichter. Ich fand bei zwei kleinen Haselmäusen (Mijoxus aveUanariusJ im Winter- schlaf in 7 Tagen (vom 22. bis 29. Januar) eine Gewichtsabnahme von V40 ^^^^^ Gewichts.

') On Hybemation. By Mars hall Hall. Philosoph. Transact 1832. S. 338.

") Prunelle, sur le sommeil hivernal de quelques mammiferes. Iq Annales du Museum d'hist. nat. 1811.

*") Annales de chimie. 1849. p. 435.

29

Nach Regnaiilt und Reiset *) erklärt sich die Gewichts- zunahme dadurch, dass ein Murmelthier im Winterschlaf Stick- stoff absorbirt, in 117 Stunden wurden 0,228 Gramme Stickgas absorbirt, und besonders wird mehr Sauerstoftgas absorbirt, als in der ausgeathmeten Kohlensäure enthalten ist; die Menge des verbrauchten Sauerstoffgases betrug bei diesem Versuch 13,088 Gramme und es wurden nur 7,174 Gramme kohlensaures Gas gebildet. Es w^urde also im Winterschlaf Stickgas und Sauer- stoffgas aus der umgebenden Luft im Körper fixirt. Im wachen- den Zustande hauchen diese ThierCj wie auch manche andere, die dem Winterschlaf nicht unterworfen sind, eine kleine Menge von Stickgas aus nach Regnault. Uebrigens ist der Verbrauch des Sauerstoffgases während des Winterschlafes sehr gering, nur der dreissigstc Theil von dem, was im wachenden Zustande ver- braucht wird. Uebrigens fand Regnault, dass auch bei andern Thieren, welche keinen Winterschlaf halten, z. B. bei Kaninchen, dass nicht die ganze Menge des Sauerstoffgases, welches bei der Respiration verbraucht wird, als Kohlensäure wieder zum Vor- schein kommt.

Der Kreislauf des Bluts ist im Winterschlaf sehr schwach und langsam. Man fühlt auch bei den grössern Thieren, wie bei Spennophüus citiUus, im tiefen Winterschlaf keinen Herz- schlag. Schneidet man die Haut ein , so fliesst sehr wenig Blut aus. Auch aus grössern Arterien entleert sich das Blut langsam. Doch bei einer im torpiden Zustande ohne Respirationsbewegung befindlichen Fledermaus beobachtete Hall unter dem Mikroskop in den kleinsten Gefässen der Flughaut noch Blutbewegung.

Die Irritabilität ist im Winterschlaf nicht aufgehoben. An einer kleinen Haselmaus, welche im Winterschlaf lag bei einer Temperatur von -f 5^ R. , machte ich die Vivisection. Das Zwerchfell zog sich wiederholt zusammen, man mochte es un- mittelbar reizen durch die Messerspitze, oder auf Zusammen- drücken des Zwerchfellsnerven. Die willkührlichen Muskeln über-

•) Recherclies chimiques sur la respiration des auimaux. In Annales de cMmie. 1849.

- 30 -

haiipt waren reizbar. J)ie Coiitractioncii des Herzens dauerten, jedoch immer schwächer werdend, regelmässig gegen eine Vier- telstunde fort. Im tiefen Winterschlaf fühlt man an der Brust keinen Herzschlag, wenn bei diesem Versuch das Herz regel- mässig und anhaltend pulsirt, so war dieses eine Folge der Vivi- section. Eine wurmförmige Bewegung der Gedärme war jedoch nicht vorhanden. Die Lungen waren sehr blassroth, klein, wie überhaupt bei den Winterschläfern , aber lufthaltend. Die Farbe des Venenbluts war nicht sehr dunkel; das Blut vollkommen flüssig, m der Brusthöhle und Bauchhöhle enthielten sowohl die Arterien als Venen viel Blut. Das in einem kleinen Glase auf- gefangene Blut wurde an der Luft heller roth und gerann frei- willig nach etwa zwei Minuten und trennte sich nachher tn den Blutkuchen und das Blutwasser. Die Lungen der Winterschläfer sind klein im Verhältniss zu der Grösse des Thiers ; dieser Um- stand ist wohl die Hauptursache des Winterschlafs.

Man hat bei den Winterschläfern auf eigenthümliche, drüsen- ähnliche Organe aufmerksam gemacht; ich fand sie bei Fleder- mäusen, beim Igel, Murmelthier, Hamster, Myoxus, Spermophilus. Bei letzterem Thier liegen sie in der Achselhöhle und erstrecken sich bis zum hintern Winkel des Schulterblatts. Eine ähnliche Drüsenniasse liegt hinter den untern Halswirbeln und den obern Rückenwirbeln , bedeckt von den Hals- und Rückenmuskeln. In diesen abgerundeten, rothen Massen, sogenannte Winterschlaf- drüsen, sammelt sich sehr viel Fett an, ich fand in ihnen bei der mikroskopischen Untersuchung eine ausserordentliche Menge von Fetttröpfchen. Die Grösse dieser Organe ist veränderlich und richtet sich danach , ob überhaupt mehr oder weniger Fett im Zellgewebe abgelagert ist. Zur Herbstzeit sind die Winter- schläfer sehr fett, dann findet man auch diese drüsenähnlichen Organe vergrössert. Diese Organe haben keinen Ausführungs- gang. Dass die Thymus im Winterschlafe von besonderer Grösse sei, wird von Hängst cd*) bestritten, aber bei Spermophilus citillus im Winterschlaf fand ich die Thymus grösser als das

*) Haugsted, Thymi descriptio Hafiiiae 1832.

- 31 -

Heiz, ungeachtet die Beobachtung an einem alten ausgewachse- nen Thier angestellt wurde. Bei einem alten Hamster, welcher während des Winterschlafes bei einer Kälte von 12" R. im Dezember gestorben war, bedeckte die Thymus die Hälfte des Herzbeutels.

Tiedemann fand die Thymus bei einem im Winterschlaf getödteten Murmelthier viel grösser als bei einem im Sommer untersuchten Thier, und im ersten Fall enthielt die Thymus eine chylusähnliche Flüssigkeit.

Bei einigen Säugthiercn ist übrigens die Thymus das ganze Leben über ausserordentlich gross und ragt weit am Halse her- auf; so bei den Robben und Delphinen.

Rechstconsulent S. Schott fragte hierauf, ob es wahr sei, dass die Schwalben auch einen Winterschlaf halten. Diesem widersprachen v. Rapp, v. Martens, Hochstetter und Kraus s. Die beiden letzteren führten an, dass während der vorangegangenen nassen und kalten Tage, vom 15. bis 24. Juni bei einer Temparatur von 8 10*^ R. die Mauerschwalben (Cyp- sellus rnusarius Temm.) hier und in Esslingen so starken Mangel an Nahrung litten, dass viele Exemplare derselben todt oder halbtodt aufgefunden wurden.

III. Oberreallehrer Blum sprach über die Bedeutung und Theorie des F o u cault 'sehen Versuches Folgendes:

Die Behauptung, dass sich die Erde um ihre Axe drehe, taucht schon im frühen Alterthum in Indien und in Griechen- land auf; namentlich kennen wir einen Ausspruch des griechi- schen Weltweisen Aristarch (280 v. Chr.), welcher dieselbe in der unumwundensten Form hinstellt. Allein wie konnte eine Lehre, die weder durch genaue Beobachtungen , noch durch ma- thematische Beweisführung gestützt war, in den Kampf geführt werden gegen die in jener Zeit allgemein herrschende, geradezu entgegengesetzte Vorstellung von Welt und Erde! Später waren es besonders die alexandrinischen Astronomen, welche sich be- mühten, in die Erscheinungen am Himmel und in den Lauf der Sterne Licht zu bringen und eine Frucht jener Bestrebungen ist

32 -

das von Ptoleniiius aufgebaute Weltsystem, das eine ruhende Erde annimmt und das trotz aller Ungereimtheiten, Unvollstän- digkeiten und der überaus künstlichen Auskunftsmittel viele Jahr- hunderte hindurch das herrsehende war, bis endlich der grosse Kopernikus an die Stelle der alten Weltordnung eine neue zu setzen wagte, welche der Erde die bescheidene Rolle eines Planeten anweist, welche die anscheinend schwierigsten Probleme auf ganz einfache Weise löst und die verwickelten Bahnen der Himmelskörper als natürhche Folgerungen eines und desselben Grundprincips erscheinen lässt.

AVem es heutzutage vergönnt ist, einen Blick in jene Zah- len zu werfen, durch welche der ganze Sternenhimmel in die schönste Harmonie gebracht ist ; wer überdiess die Resultate der Keppler' sehen Beobachtungen und die New ton' sehen Ge- setze kennt ; wer endlich den Forschungen der neueren Astrono- men gefolgt und Zeuge gewesen ist, wie das kopernikanische System mit jedem neuen Fund am Himmel einen neuen Triumph gefeiert bat: der bedarf eines weitern Beweises für die Unum- stösslichkeit desselben nicht. Wer dagegen, wie der neue Erd- banner, Doktor Schöpfer aus Quedlinburg, in Verzweiflung gerathen will darüber, dass er sich auf einem so verschwindend kleinen, dem Augenmerk des Allerhalters fast entrückten Stäub- chen, wie die Erde der heutigen Astronomen, wissen soll, und nur dann festen Glauben an den gütigen Vater Aller, an die Verheissungen der Bibel, ja selbst an die Unsterblichkeit halten zu können meint, wenn die Myriaden Weltkörper um der Erde willen geschaffen und der Mensch das einzige geliebte Kind des Ewigen sei, der ist freilich blind und taub gegen alle Beweise, welche Beobachtungen und Zahlen uns liefern.

Seit der Aufstellung des kopernikanischen Weltsystems wa- ren Astronomen und Physiker zu allen Zeiten bemüht, den rein wissenschaftlichen Beweisen für die Axendrehung der Erde noch andere zur Seite zu stellen, welche auch dem Laien zugänglich sind. Diese Beweise beruhen theils auf allgemeinen Gründen der Wahrscheinlichkeit, theils auf Erscheinungen , welche auf der

33

Erde selbst beobachtet werden und ilne Erklärung nothwcndig in der Achsendrehung derselben finden.

In die Kategorie der letztern gehören vornämlich drei. Der erste derselben gründet sich auf die an den Polen abge- plattete Kugelgestalt der Erde, welche durch unmittelbare Messungen nachgewiesen worden ist. Der zweite wurde aus der Verschiedenheit der Umdrehungsgeschwindigkeit abgeleitet, welche bei ungleich weit von der Erdaxe entfernten Punkten auf der Erde stattfinden muss, und welche in den Benzenberg' sehen Fallversuchen ihre Bestätigung gefunden hat. Der dritte endlich, den wir dem genialen französischen Physiker Foucault, der ihn im Jahr 1851 aufgefunden hat, verdanken, beruht auf einer Eigenschaft des Pendels, eines bekannten physikalischen Instru- ments. Dieser dritte Beweis, der uns jetzt noch weiter beschäfti- gen soll, zeichnet sich vor den beiden ersten dadurch wesentlich aus, dass er uns die Drehung der Erde durch unmittelbare An- schauung erkennen lässt.

Vermöge einer allem Körperlichen zukommenden Eigenschaft, die man mit dem Wort Trägheit oder Beharrungsvermögen zu be- zeichnen pflegt, verändert kein Körper den Zustand, in welchem er sich befindet, wenn nicht Kräfte auf ihn einwirken, die eine solche Veränderung veranlassen. Ein in Ruhe befindlicher Kör- per fängt eben desswegen nicht von selbst sich zu bewegen an ; es ist hiezu ein äusserer Anstoss nöthig, der ihn zwingt, den Zu- stand der Ruhe zu verlassen. Anderseits würde z. B. eine Ka- nonenkugel mit der Geschwindigkeit und in der Richtung, mit der sie den Lauf verlässt, in's Unendliche sich fortbewegen, wenn nicht der Luftwiderstand oder andere Hindernisse ihre Geschwin- digkeit allmälig oder plötzlich vernichteten und wenn nicht die Schwerkraft ihrer Bewegung in jedem Augenblick eine andere Richtung ertheilte.

So wenig nun eine Kugel ohne die Einwirkung einer ab- lenkenden Kraft die Richtung ihrer Bewegung wechselt, so we- nig ändert ein freischwingendes Pendel seine Schwingungsrich- tung, so lange es nicht durch neu hinzutretende Kräfte dazu gezwungen wird. Bei unsern gewöhnlichen Uhrpendeln , die aus

Würllemb. nalurw. Jahreshefle. 185<3. Is Heft. 3

- 34 -

einer festen Stange mit daran hängentler Scheibe oder Linse be- stehen, kann sich die Erscheinung des Beharrens in einer und' derselben Schwingungsebene nicht zeigen, weil sie nicht frei, d.h. in einem Punkt, mit ungehinderter Bewegung nach allen Seiten, aufgehängt sind, sondern gewöhnlich mit ihrem obern Ende auf der scharfen Kante einer Axe aufliegen, so dass sie gezwungen sind, immer wieder in eine wenigstens annähernd senkrecht zu dieser Axe gestellte Schwingungsebene zurückzukehren. Hängen wir daher ein solches Pendel zum Beispiel an der senkrechten Wand eines Schiffszimmers so auf, dass die Schwingungsaxe perpen- dikulär zur Wand gerichtet ist, so muss dasselbe parallel mit dieser Wand schwingen, welche Drehungen und Wendungen das Schiff auch machen mag, vorausgesetzt, dass die Bewegung des Schiffes ohne Seitenschwankungen vor sich geht. Die Schwin- gungsebene des Pendels ändert also hier mit dem Schiff ihre Richtung. Anders gestaltet sich die Sache , wenn wir ein Pen- del, das aus einem dünnen Draht oder Faden mit daran hängen- der Metallkugel besteht, an der Decke des Schiffsraumes so aufhängen , dass es nach allen Richtungen frei schwingen kann. Versetzen wir ein solches Pendel nach irgend einer bestimmten Richtung in Schwingung, während sich das Schiff langsam und ohne Erschütterung dreht, so machen wir die Beobachtung , dass die Schwingungsebene der drehenden Bewegung des Schiffes nicht folgt, sondern unverrückt der gleichen Himmelsgegend oder dem gleichen Punkt des entfernten Ufers zugewendet bleibt. Einem Beobachter im Schiff aber , der nicht auf die Gegenstände am Ufer blickt , und eben desswegen , wie es bei sanfter Bewegung fast immer der Fall ist, sich selber sammt dem Schiff in Ruhe wähnt, wird es vorkommen, als drehe sich die Pendelebene in einem der Bewegung des Schiffes entgegengesetzten Sinne im Kreise herum.

In einem ähnlichen Falle sind wir Erdbewohner, die wir uns mit Allem, was uns umgibt, alltäglich einmal von West nach Ost um die Erdaxe drehen, ohne dass uns die leiseste Erschütterung an unsere übcrdiess sehr rasche Bewegung mahnt. Ein freischwingendes Pendel, das in Beziehung auf den Welt-

35

lauin eine uiivciUiidcrte Kichtung beibehält, muss daher schehi- bar eine unserer eigenen Bewegung entgegengesetzte Drehung haben.

Die Saclie verhält sich jedoch nicht an allen l^unkten der Erdoberfläche gleich, wie nun näher auseinander gesetzt werden soll.

Die Schwingungsebene des Pendels ist durch zwei Stücke be- stimmt: nämlich erstens durch die Gleichgewichtslage des Pendels, d. h. durch die Stellung, welche es einnimmt, ehe es in Schwingung versetzt wird und nachdem es zur Ruhe gekommen ist; zweitens durch eine Horizontallinie, welche die Richtung angibt, nach welcher das Pendel schwingt. Die erste Lmie, die der Gleichge- wichtslage des Pendels , ist stets gegen den Mittelpunkt der Erde gerichtet, die letztere kann eine beliebige Richtung nach irgend einem entfernten Punkt im Weltraum, z. B. nach einem Stern, haben.

Denken wir uns nun unser Pendel für's Erste an einem der Pole, etwa am Nordpol, genau in der Verlängerung der Erd- axe aufgehängt, so fällt das eine der genannten Bestimmungs- stücke, nämlich die Gleichgewichtsstellung, mit der Erdaxe zu- sammen und bleibt während der Umdrehung der Erde in un- veränderter Richtung, da auch die Erdaxe parallel mit sich selbst im Weltraum fortschreitet. Das andere Bestimmungs- stück, die horizontale Richtungslinie, ist ohnehin gänzlich unab- hängig von der Bewegung der Erde. Es ist somit kein Grund vorhanden , warum die Schwingungsrichtung irgend eine Ablen- kung erfahren sollte, und es ist also klar , dass die um ihre Axe sich drehende Erde und mit ihr der Polhorizont sich unter dem Pendel herumdrehen muss. Eine durch den Mittelpunkt des Pol- horizonts gezogene, anfänglich mit der Schwingungsebene gleich gerichtete Linie wird daher schon im nächsten Augenblick einen kleinen Winkel mit derselben bilden, da sie sich mit dem Ho- rizont von rechts nach links dreht, und in 24 Stunden wird dieser Winkel 360^ betragen.

Wenn es möglich wäre, den Versuch am Pol selbst anzu- stellen, so müsste es dem Beobachter, der sich selbst, ebenso wie wir, in Ruhe glaubt, vorkommen , als wenn sich die Schwin-

36 -

gungsebeue in ^4 Stunden einmal von links nach rechts im Kreise herumdrehte, ganz nach derselben Richtung und mit der- selben Drehungsgeschwindigkeit, mit der sich dort ein Stern am Horizont im Kreise herum zu bewegen scheint.

Ich will gleich hier auf ^wei Einwürfe antworten, die man häufig machen hört: erstens, ob die Drehung des Aufhängepunkts, welche so lange nicht zu vermeiden ist, als wir das Pendel nicht an einem ausserhalb der Erde befindlichen Punkt aufhängen können, und zweitens, ob die fortschreitende Bewegung des Auf- hängepunkts, welche er mit der Erde bei ihrem Fortschreiten auf ihrer jährlichen Bahn theilt, keinen Einfluss auf die Schwin- gungsrichtung des Pendels ausüben könne. Dass die Drehung des Aufhängepunkts , die überdies in unserem Fall eine ausser- ordentlich langsame ist, keinen Einfluss auf die Schwingungs- ebene eines Pendels hat, lässt sich durch einen Versuch im Kleinen leicht nachweisen; immer wird man finden, dass diese Drehung nur das zur Folge hat, dass auch der Pendel- faden und mit ihm die Pendelkugel sich in sich selbst drehen. In Beziehung auf den zweiten Einwurf ist zu bemerken, dass vor und wälirend der Schwingung das ganze Pendel die gleiche fortschreitende Bewegung hat, wie der Aufhängepunkt, und dass also, wenn ein ruhendes Pendel plötzlich in Schwin- gung versetzt wird, in dieser Beziehung keine Aenderung ein- tritt, und daher auch keine Kraft hinzukommt, die eine Ablenkung der Schwingungsrichtung bedingen könnte. Dasselbe gilt für die fortschreitende Bewegung von West nach Ost, welche, der Auf- hängepunkt an andern Orten , neben der so eben berührten , in Folge der Axendrehung der Erde erhält.

Versetzen wir uns nun mit unserem Pendel an den Aequator, so finden wir die Sache bedeutend verändert. Eine auf der Horizontebene eines unter dem Aequator befindlichen Ortes von Süd nach Nord gezogene Linie, eine sogenannte Nordlinie, bleibt während der Umdrehung der Erde stets parallel mit der Erd- axe und hat folglich, wie diese, immer die gleiche Richtung in Beziehung auf irgend einen Punkt im Weltraum. Auch jede andere in der Horizontebene gezogene Linie ändert ihre Richtung

37

nicht, da sie mit der Nordlinie, die mit ihr in der gleichen Ebene liegt, einen miveränderlichen Winkel bildet. Da nun die Hori- zontalrichtnng der Schwingungsebene eines Pendels ebenfalls un- veränderlich ist, so ergibt sich von selbst, dass hier eine schein- bare Drehung dieser Schwingungsebene in Beziehung auf eine Linie des Horizonts nicht stattfinden kann.

Betrachten wir endlich den Fall, dass der Versuch an einem Ort zwischen dem Pol und dem Aequator angestellt wird. Fas- sen wir auch hier zunächst die Nordlinie des Horizonts ins Auge, so erkennen wir leicht, dass sie die verlängerte Erdaxe in einem Punkt schneidet, der um so weiter vom Nordpol entfernt ist, je näher der betreffende Ort dem Aequator ist. Hieraus geht hervor, dass die Nordlinie während einer Umdrehung der Erde die Oberfläche eines Kegels beschreibt, dessen Spitze in der verlängerten Erdaxe liegt. Jede neue Lage der Nordlinie, und darum auch jeder anderen in der Horizontebene gezogenen Linie bildet folglich mit der vorhergehenden einen Winkel, und es muss daher auch hier, wie am Pol, eine scheinbare Drehung der Pendelebene stattfinden. Der Drehungswinkel in 24 Stunden wird aber weniger als 360^ betragen und um so kleiner sein, je spitzer der von der Nord- linie beschriebene Kegelmantel ist, da die Summe aller Winkel, welche die aufeinander folgenden Lagen der Nordlinie unter sich bilden, gegeben ist durch den Winkel, den wir erhalten', wenn wir uns den Kegelmantel an einer Seite von der Spitze aus auf- geschnitten und ausgebreitet denken. Vom Aequator an, wo die Ablenkung gleich Null ist, wächst demnach der tägliche Drehungs- winkel mit der geographischen Breite und zwar, wie auf trigo- nometrischem Wege leicht nachzuweisen ist, im Verhältniss des Sinus derselben und erreicht sein Maximum am Pol.

Für Stuttgart z. B. , dessen geographische Breite 48^ 46' 53" ist, beträgt die Grösse des Drehungswinkels in 24 Stunden 270, 80 r= 270<> 48', in 1 Stunde also 11", 28 r= 11» 16' 48" und in einer Minute 0, 188*^ = 11' 16,8".

Wir haben seither die Thatsache der Axendrehung der Erde vorangestellt und daraus die Erscheinung abgeleitet, welche ein schwingendes Pendel zeigen muss. Da nun der Versuch diese

- 38 -

Sclilussfolgening nacli allen ihren Thcilen vollkommen bestätigt, und für die drehende Bewegung des Pendels kein anderer ver- nünftiger Grund gefunden werden kann, so sind wir auch berech- tigt, ihn als eine weitere Bestätigung unserer Annahme zu be- trachten.

Der Foucault'sche Versuch ist bis jetzt zwar weder unter dem Aequator, noch, aus bekannten Gründen, an einem der Pole angestellt worden ; dagegen liegt eine grosse Reihe von Resultaten anderer Beobachtungen vor, die unter den verschie- densten Breitegraden , von einem Ort auf der Insel Ceylon , der unter dem 6,9. Grad, bis Aberdeen, das unter dem 57,9. Grad nördlicher Breite liegt, angestellt wurden und welche nicht allein das Factum an sich vollständig bestätigt haben , sondern auch der durch die Rechnung gefundenen Grösse des Drehungswinkels bis auf kaum bemerkbare Unterschiede nahe gekommen sind.

Zum Schlüsse beehre ich mich , die verehrten Mitglieder unseres Vereins auf heute Nachmittag 3 Uhr in das Chor der Stiftskirche einzuladen, wo ich den Versuch ausfeilen werde. *)

IV. Professor Dr. v.Kurr theilte über einige Land- und S ü s s w a s s e r c 0 n c h y 1 i e n der T e r t i ä r f o r m a t i o n Ober- schwabens Folgendes mit :

Herr Revierförster v. Zell in Z wiefalten, dessen unermüde- tem Fleiss und Eifer wir schon so manche Entdeckung interes- santer Fossilien im Gebiete unserer Tertiärfauna verdanken, hat mir eine Sendung von neuaufgefundenen Land- und Süsswasser- conchylien aus der Umgebung von Zwiefalten mitgetheilt, welche ich Ihnen hiemit vorzulegen die Ehre habe, und ich erlaube mir einige Bemerkungen darüber, sowie über die Bedeutung unserer Tertiärfauna überhaupt daran anzuknüpfen.

Unter den eingesandten Gegenständen befindet sich eine zum erstenmal aufgefundene mit Helix vermiculata Mich, und

•) Das zum Versuch gebrauchte Pendel hatte eine Länge von 58,277 württ. Fuss und brauchte zu einem Hin- und Hergang 8,2'' Zeit. Das Ge- wicht der au einem dicken Kupferdraht aufgehängteu Bleil<ugel betrug gegen TK) Pfdud.

39 -

alonensis Fer. verwandten, an J7. Matihiaca Stein, des Main- zer Reckens sich anschliessende Spezies , welche ich dem Ent- decker zu Ehren Helix ZeUü*) nennen will. Es ist demnach eine dem südlichen Europa angehörige Form, der ersten Ab- theihmg von Archelix Alb er s völlig entsprechend, während die im Süsswasserkalk Oberschwabens am häufigsten vorkommende H. sylvestrina Ziet. und die etwas seltenere H. sylvanaK\^\n offenbar in die zweite Abtheilung jener Untergattung sich reihen, doch so, dass sie zwischen sylvaüca und sylendida Drap, sich stellen. Die bei Z wiefalten und Ehingen nicht seltene Helix in- flexa V. Martens gehört sicher in die Untergattung Cofm^?//a<?« Albers, deren europäische Arten hauptsächlich den südlichen Hochalpen eigenthümlich sind, während die aussereuropäischen den Cordilleren von Peru und Bolivia und theilweise der Insel Martinique angehören ; kurz, sie deutet auf warmes Gebirgsland. Ihre Verwandtschaft mit H. Lefehuriana Fer., Zonata Stud. und der auf Porto sancto einheimischen H. portosanctana S o w. lässt sich auf den ersten Blick erkennen.

Die bei Ehingen und Mainz, sowie in der Auvergne vor- kommende H. Ramondi Brongn. ist am meisten der bei Cari- 9al auf Madeira und in dem dorügen Diluvium fossil gefundenen H. Bowdichiana Fer. verwandt und schliesst sich theils an H. melanostoma Dr., die im südlichen Frankreich und Algerien vorkommt, theils an die Gruppe der amerikanischen H. auricoma F^r. an.

H. insignis Schub 1er, eine der ausgezeichnetsten Eigen-

*J Helix Zellii Kurr: iesta subobtecte-perforata, globoso-depressa, sub- striolata, anfr. 5 convexi, intimi subgranulaü subplanati, ultimus antice de- flexus; apertura late lunaris producta, peristomium valde reflexum, ampliatum , margine columellari dilatato , umbilicwn infundlbuUfonnctn subtegente. Diam. maj. 32, min. 26; alt. 17 mill. Im tert. Süsswasserkalk zu Audelflngen bei Zwiefalten. Ton H. Mathiaca durch gedrücktere Form, breitem Mund und trichterförmigem Nabel, geringere Verdickung des Muud- saumes , auch geringere Wölbung der Untenseite des letzten Umgangs ^er- pchieden , daher auch eher mit //. alonensis Fer., Var. Lorcana Rossm. aus Spanien, als mit Desertorum Forsk. aus Syrien vergleichbar.

40

thümlichkeiten von Steinheim, erinnert durch ihren trichterförmi- gen Nabel fast nur an die grossen Formen von H. rosacea Müll., wie sie im südwestlichen Afrika vorkommen, und unter allen europäischen Arten ist keine einzige, womit sie verglichen werden könnte.

H. Ehingensis Kl. , bei Ulm und Ehingen gleich häufig, gehört zu der Gruppe von Pachystoma Albers, welche haupt- sächlich in Westindien einheimisch ist. Die grosse Verdickung des Spindelsaumes, der starke Callus am Innenrand der Mündung, die dicke Schale und die Verdeckung des Nabels durch den Callus stellen sie neben H. crascüabris Fir. und discolor Fer., während die Gesammtform mehr an Nanina bicolor und buUa Pfr. erinnert.

Auch H. rugulosa v. Martens stellt sich nach Form und der so sehr ausgeprägten Streifung in die Reihe der westindi- schen und nordamerikanischen Arten, und reiht sich namentlich an H. elevata Say. und pensylvanica Green, aus der Gruppe Patera Albers an. So gehört auch die von Thomae bei Hochheim gefundene H. Rahtii Th. zu Jamaicaformen.

An diese Bemerkungen über die Heliceen unserer Tertiär- fauna, welche leicht erweitert werden könnten, reihe ich zunächst einen mehr negativen, aber nicht minder wichtigen Character derselben, nämlich das gänzliche Fehlen von grösseren Bulimus- und Pi^pa-Arten, wie diess auch auf dem nordamerikanischen Festlande der Fall ist. Es leben diese Thiere hauptsächhch in Ländern mit trockener Atmosphäre, während unsere Landschne- cken, wie wir sie kennen gelernt haben, hauptsächlich feuchten Wäldern und Bergthälern angehört haben, ein Umstand, welcher durch das häufige Mitvorkommen von Süsswasserconchylien, wo- von später die Rede sein wird, wesentlich unterstützt wird.

Die bei Hochheim vorkommende Strophostoma ist zwar bei uns noch nicht aufgefunden worden, erinnert aber gleichfalls an die auf Brasilien (Bahia) beschränkten ^nos^oma- Arten oder an Hypostorna aus Bengalen.

Glausilia grandis Klein und antiqua Seh üb 1er, sowie die bei Wiesbaden vorkommende Cl. buUmoides A. Braun,

41

können meines Eraehtens nur mit den grossen dalmatischen und chinesischen Arten verglichen werden. Eine kleinere , von Herrn V. Zell eingesandte Clausilia, welche noch nicht näher bestimmt werden kann, erinnert dagegen an Cl. plicatula Drap., welche in Deutschland und der Schweiz nicht selten vorkommt. Immer- hin ist das verhältnissmässig seltene Vorkommen der Clausilien und Pupen auffallend, wenn wir solches mit den gegenwärtigen Verhältnissen vergleichen.

Cyclostoma bisulcatum v. Zieten und conicum Klein schliessen sich an die südeuropäischen und egyptischen For- men mehr als an die westindischen an; dagegen sind die stattlichen Glandinen {Gl. antiqua Klein), wie sie bei Ehingen und Ulm nicht selten vorkommen , wieder auffallende Typen Westindiens und der Küstengegenden von Mexiko.

Gehen wir zu den Süsswasser-Mollusken über, so fällt so- gleich der unermessliche Reichthum von Individuen gewisser Gattungen, z. B. von Valvata und Paludina auf, welche an einigen Orten zu Milliarden zusammen liegen. Diess gilt na- mentlich von Valvata multiformis und Paludina globulus Desh.^ welche in der sogenannten Sandgrube von Steinheim vorherr- schen. Die flache Form der Ersteren kann nur mit der nord- araerikanischen S. tricarinata Say verglichen werden und steht ihr offenbar sehr nahe. P. globulus und acuta Des h., welch letztere auch bei Nördlingen und Mainz sehr häufig ist, gehören zu den überall in Küslengegenden wiederkehrenden For- men, welche zum Theil in brackischem Wasser leben und sich ausserordentlich vermehren. Dagegen erinnern die dickschaligen und grossen Formen von P. varicosa Bronn, welche bei Kirch- berg an der Hier so häufig ist, und der bei Nördlingen aufgefundenen P. nobilis Klein augenscheinlich an P. decisa und ijonderosa Say der vereinigten Staaten.

Die grossen und zum Theil stark gefalteten Melanien wie M. grosse-costata v. Klein, iurrita v. K 1 e i n , 31. Wetzleri Dkr. erinnern offenbar theils an M. truncata L a m. aus Guyana und Hohenackeri Phil, aus Surinam, theils an ostindische For- men, wie M. varicosa Troschel, während die kleinere 31.

42 -

hulimoides v. Klein der M. afra Ziegl. nalie stellt; die bis jetzt bei Zwiefalten und Andelfingen gefundene Melanopsis hat nach der Ansicht von Duncker und v. Klein so viele Aehn- lichkeit mit der in Griechenland, Kleinasien, Syrien und Algerien verbreiteten M. praei'osa Lin. , dass sie dieselbe mit demselben Namen belegten, unterscheidet sich übrigens durch die schlankere, stärker in die Länge gezogene Form und die mehr elliptische als eiförmige Mündung, und dürfte so gut, wie die früher für M. Dufourii Fer. gehaltene von Günzburg und Oberkirchberg M. impressa'KlQiw eine eigene Spezies darstellen, wofür ich den Namen M. Kleinii vorschlage. Dass wir es hier aber mit For- men des mittelländischen Litorales zu thun haben, ist ausser allem Zweifel.

Was die sehr häufig verbreiteten Limneen anbelangt, so erinnern sie theils an indische, theils an nordamerikanische und europäische Formen ; in erstere Reihe gehören X. elUpticus Kur r, zu den \eizievn L.buUatus Klein, sociaUs Schübl. und subo- vatus Hartm. Beinahe dasselbe kann von den Planorhen gesagt werden , welche eigentlich zwischen den deutschen und nordamerikanischen Formen in der Mitte stehen. Auch die Ne- ritinen stehen den deutschen Arten so nahe, das sie nur schwer von den lebenden zu unterscheiden sind.

Unter den Bivalven gehören die Margaritanen und TJnio Kirchhergensis Klein gleichfalls zu nordamerikanischen Typen, während die Uebrigen, sammt den Anodonten und Dreissenen offenbar unter die deutschen sich reihen.

Werfen wir nach diesem einen flüchtigen Blick auf die höheren Thiere, welche bis jetzt in den tertiären Süsswasserkalk- steinen Oberschwabens gefunden worden sind, wovon wir den Riesensalamander von Oeningen (Ändryas Scheuchzeri Tschudi) die Gattung Palaeomeryx , Chalicomys und Rhinoceros (Acero- therium indsirum KaupJ hervorheben wollen, so weichen die- ; selben so sehr von europäischen Typen ab, dass wir nur auf Java und in Mexiko die analogen Thiere wiederfinden. Dasselbe hat 0. Heer von den Insekten nachgewiesen.

Gleichwie aber überall in der jetzigen Schöpfung die schönste

43

Harmonie herrscht , so ist es auch zu allen Zeiten und selbst in den frühesten Perioden auf der Erde gewesen. Die fossile Flora des deutschen und schweizerischen Tertiärbodens hat ganz dieselben Resultate, wie die Fauna, geliefert; die Palmen, Fei- genbäume, Brodfruchtbäume, Eichen und Pappeln, welche Herr Prof. Heer bis jetzt zusammengebracht und theilweise veröffent- licht hat, deuten theils auf Gewächse der südlichen vereinigten Staaten, theils auf brasilianische und ostindische Formen, wäh- rend nur ein kleiner Theil auf die Flora des mittelländischen Litorales hinweist.

Fragen wir zuletzt nach den geologischen Resultaten dieser Untersuchungen, so ergibt sich unschwer die grosse Ueberein- stimmung unserer tertiären Süsswassergebilde mit denen von Günzburg , Mainz , Oeningen und der äussern Schweiz , wo mir noch kürzlich vergönnt war, aus den Umgebungen von St. Gal- len und vom Aargau theilweise dieselben Süsswasserconchylien wiederzufinden, welche bei Ulm, Ehingen und Steinheim so häu- fig wiederkehren. *) Es ergibt sich ferner, dass unser Süsswas- serkalk, obwohl unter unserer Meeresmollasse gelagert, mit der- selben in eine Periode in die der Myocene gehöre , dass aber wahrscheinlich die Bänke von Oeningen, welche der Meeresmol- lasse ein- oder aufgelagert sind, etwas jünger sind, als die von Ulm und Ehingen.

Er legte ausserdem genaue, in der k. polytechnischen Schule angefertigte Krystallmodelle aus Holz vor.

V. Hierauf sprach Dr. 0. Fraas über die Ablagerung von Petrefakten im Jura.

So verschieden auch die Ablagerung von Petrefakten in den verschiedenen Schichten des Jura und an den verschiedenen Localitäten Schwabens ist, so lassen sich doch die verschiedenen Arten von Ablagerung unter dreierlei Haupt-Gesichtspunkten auf- fassen :

•) Vielleicht gebiirt auch der Süsswasserkalk von Rheims und der Auvergne hieher, denn einige HcLiceen von daher, welche ich zu sehen Gelegenheit hatte, schliessen sich ganz an unsere cinlieiuiischen an.

- 44 -

1) Die Petrefakten lagern in Bänken. Je mächtiger eine Schichte entwickelt ist, um so lieber ziehen sich die organischen Reste auf ein nur wenige Zoll mächtiges Lager zurück, in wel- chem sie millionenweise zusamraengehäuft sind, so dass die Bank oft aus nichts Anderem besteht, als eben aus jenen Resten.

Dieses Vorkommen von Petrefakten in Bänken ist für den Geognosten vom Fache ebenso angenehm, wie für den Petrefakten- sammler , der von seiner Hände Arbeit sich nährt. Dieser kehrt doch jeden Abend reich beladen mit seiner Waare heim, denn die Bank lässt ihn nie trügerisch im Stich. Jener freut sich in den Bänken feste geognostische Horizonte zu haben , nach denen er sich aufs sicherste Orientiren kann, denn nicht leicht kommt es vor , dass eine Spezies , die eine Bank charakterisirt, in einer älteren oder jüngeren wieder aufgefunden wird. Wie carakterisch sind nicht die Psilonoten , Oxynoten , Raricostaten, Macrocephalen u. s. w. ? Hat man je einen A. Psilonotus an- derswo gefunden als in dem 3 Zoll dicken Lager , das aus der Mitte der 2 Fuss mächtigen Psilonotenbank sich herausschält ? A. hifer immer einige Zoll unter dem A. oxynotus , dieser selbst wieder in einer Bank von 5 6 Zoll, A. raricostatus zwar durch die letzten 6 Fuss des schwarzen Jura beta zerstreut vorkommend hat doch seine eigentliche Bank von 3 4 Zoll in der Hälfte seines Lagers. A. polygyratus und sein schöner Begleiter fle- xuorus finden sich am Hundsrücken an einer mehrere 100 Fuss mächtigen Steilwand nur in einer 5 Zoll dicken Schichte, des- gleichen B. hastatus. Ebenso bildet das Seegras in den untern Posidonienschiefern, in den Jurensis-Mergeln , in der Oberregion der w^ohlgeschichteten Kalke eine sichere Bank der Orientirung. Die einzelnen Petrefakten der Bänke, die in allerlei Lage liegen, sind im Allgemeinen auf ihrer Oberseite besser erhalten, als auf der Unterseite. Man bekommt gar oft Ammoniten, die nur auf einer Seite schön sind; da darf man mit ziemlicher Gewissheit an- nehmen, dass die schöne Seite nach oben lag; es hat demnach die Zerstörung der Schale von unten begonnen. An einigen Localitäten nahm ich mir die Mühe, über die Quantität der Vor- kommnisse Anhaltspunkte zu erhalten, denn beiläufige Schätzungen

45

trügen oft gewaltig. Es hat zwar keinen grossen Werth aber doch niteressiren vielleicht den Einen oder Andern die betreffen- den Zahlenverhiiltnisse. Am Eyachriss bei Balingen lieferten 100 Quadratfuss Oxynotenschichte, die dort 5 6 Zoll mächtig ist, 4500 Stück A. oxynotuSy 1180 A. hifer, 600 Terehr. oxy^ noti^ 550 Grypliaea cymhium juv., 1000 Belcmn., Plagiostoma und andere Bivalven. Summa 8000 Stücke, was auf 1 nFuss 80 macht. Dieselbe Bank liefert bei Hechingen in einer Mäch- tigkeit von kaum 4 Zoll auf 10 nFuss 150 A. oxyriotus , 50 .4. hifer, 8 B. hreviSj die Bivalven sind meist zerdrückt und ihre Zahl schwer zu ermitteln. In der Raricostatenbank bei Frommern Hess ich auf 20 DFuss abheben und erhielt 1400 A. raricostatus , 200 A. planicosta^ 150 A. armatus densinodus, 10 A. oxynotus pinqiäs, 700 B. brevis ^ 100 Bivalven, thut auf 1 DFuss 128 Stück.

Am Starzelriss bei Hechingen erhielt Herr Achenbach auf 10 nFuss Flächenraum

600 A. raricostatus, 140 A, armatus, 200 A. planicosta,

8 A. oxynotus pinquis, 22 B. brevis.

Die Bivalven sind dort zerdrückt und unzählbar, thut auf 1 DFuss 103 Individuen.

2) Das Vorkommen der andern Art ist das hi einer Zone oder Region.

Die Petrefakten liegen nicht in Bänken, aufeinander und nebeneinander gehäuft, sondern in einer Schichte von vielen Fuss Mächtigkeit zerstreut. In der Regel ist die Schichte selbst nicht sehr mächtig entwickelt und von oben bis unten mit unregel- mässig zerstreuten Fossilen erfüllt. Die Mannigfaltigkeit der Arten ist grösser als bei der Bankablagerung , wo vielmehr die massenhafte Entwicklung ein und derselben Species beobachtet wird. Der Jura hat seine schönsten und seltensten Vorkomm- nisse auf diese Weise bewahrt und tagelang arbeitet oft der Mann umsonst, bis er endlich nach mühevollem Graben ein kost-

46

bares ^tück Ihidet , das ihm die Arbeit lolinL Zu dieser Art des Vorkommens sind z. B. die Numismalenthone, Amaltlieen- schichten und Ornatenthone zu rechnen. In den Ornatentlionen kommen auf einen Cubikfuss (nach Quadratfuss kann man hier nimmer zählen) 2 5 Stücke. Das Verhältniss der Arten ist nach Procenten Folgendes.

In der Lettengrube bei Lautlingen

A. hecticus

50 7.

yy convolutus

20

ornatus

10

,y Lamherti

1

lieterophyllus

v.

5, flexuosus

7

,y bipartitus

8

5, bidentatus

3

., fl, globus

V.

Nucula ornati

V.

Rostellaria

'/..

Glypliaea

V.

3) Endlich findet sich ein grosser Theil von Petrefakten in Nestern. Wenn bei der ersten und zweiten Art nur von sol- chen Resten die Rede sein kann , welche nach ihrem Tode im Meer niedersanken, nachdem sie längere oder kürzere Zeit flot- tirt hatten, oder welche von der Fluth an die Ufer gespült wurden, führt uns die dritte Art des Vorkommens zu Fossilen, die vom Ort ihres Lebens nicht ferne, zum Theil an Ort und Stelle begraben sind. Die Petrefakten sind darum auch Reste von festsitzenden Thieren, PentacrinUen , Austern, Brachiopoden. Zwar sind sie zur Bankbildung eben so geneigt, wenn sie von ihrem Standort losgerissen und vom Wasser umhergetrieben wurden, aber öfter nach liegen sie in Nestern. Von Pent. sca- laris fanden sich bei Hechingen 3 Stielglieder auf 10 n^'^'ss Raricostatenbank, bei Balingen auf 20 QF^ss 80, bei Frommern auf 20 DFuss 2000. Hier trafen die Arbeiter ein Nest. Das Gleiche beobachtete ich bei P. basaltiformis in den Amaltheen- thonen, bei Terebr. substriata , lacunosa, Pentacr, cingulatus^

47

Ostrea crhiagaUi 11. mul vielen Andern aus diesen Thierclassen. An der einen Localität fehlen diese Reste last ganz, an andern oft nur wenige Schritte entfernten trifft man sie massenweise aufgestapelt.

Der AVerth dieser Beobachtungen ist freilich ein sehr localer, aber je mehr solche locale Beobachtungen angestellt und zu- sammengestellt werden , wird man doch auch daraus nicht un- interessante Schlüsse ziehen können.

VI. Oberbaurath v. Bühl er hielt folgenden Vortrag über die B e z i e h u n g e n der Stromgebiete und Wasserschei- den zu den Gebirgen:

lieber die Beziehungen der Stromgebiete zu den Gebirgen haben von jeher und bis auf die neueste Zeit herauf noch sehr irrige Ansichten vorgeherrscht.

Es ist bekannt, dass man die Flächenräume, die ihre Tag- wasser den Bächen, den Flüssen und dem Strome zuführen, in welchen sich alle diese ergiessen , ein Fluss- oder Strom- gebiet. nennt, ferner, dass Hochebenen, Hügel, Berge und Hochgebirgsziige allermeist die U r s p r u n g s o r t e und zu- gleich auch die Xrrenzscheiden der verschiedenen Flüsse

die Wasserscheiden sind, und wollen dieses nun näher erläutern.

Da die Bewegung des Wassers in den Flüssen durch den Einfluss der Schwere nach den Gesetzen des Falles bewirkt wird, so muss nothwendig der Ursprungsort derselben höher liegen, als ihre Ausmiindung und es müssen in einem Fluss- oder Stromgebiet die Flächen, auf und in welchen sich die Bäche und Flüsse gegen den Hauptstrom bewegen mehr oder weniger geneigte Ebenen gegen denselben sein, während dieser aber selbst wieder in einer geneigten Ebene von dem Innern des Landes gegen seine Ausmündung in das Meer ab- fiiesst.

Die Oberfläche eines Stromgebiets bildet so- nach ein Becken, welches in allen Richtungen gegen

48

den Haupistroin geneigt ist, der .sodann selbst wie- der eine Neigung gegen seine Ausmündung hat.

Die tiefste Linie eines Stromgebiets muss also nothwendig diejenige sein, in welcher sich der Hauptstrom bewegt, die höch- sten Linien aber, welche das Gebiet umziehen und gleichsam seinen Rand bilden, sind die Wasserscheiden, die sich wieder unmittelbar an die Ränder der nächsten Flussbecken anschliessen. Punkte auf diesen Linien, die zwischen zwei in entgegengesetzter Richtung abfliessenden Gewässern sich befinden, werden T h e i 1 u n g s p u n k t e oder bei grösserer Ausdehnung auf Hochflächen

Theilungsflächen oder Theilungs ebenen genannt.

Hieraus darf nun aber keinesw^egs wie früher ganz irrthüm- lich gefolgert werden, dass die grossen Flüsse nothwendig ein hohes Gebirge, oder die höchsten Punkte in demselben zum Ursprungs- ort haben müssen und dass die Wasserscheiden derselben sich immer auf den höchsten Gebirgsrücken hinziehen. Ein solcher Irrthum würde uns in den meisten Fällen ein ganz unrichtiges Bild von den Stromgebieten und ihren Wasserscheiden, sowie überhaupt von der Erdoberfläche und der W a s s e r v e r t h e i 1 u n g auf derselben geben und uns zu mancherlei Täuschungen hin- führen, worunter zunächst diejenige gehören würde,

dass Gebirge einen im Verhältniss zu ihrer

Höhe und Ausdehnung bedeutenden Einfluss

auf die Wasserscheiden ausüben.

Diess ist aber meist gar nicht der Fall , wie durch viele

Beispiele erwiesen werden kann. Wäre diese Annahme richtig,

so müsste man den L^rsprung der grössten Flüsse des nördlichen

Deutschlands in den höchsten Gebirgen daselbst suchen und so

würde wohl der Harz eine Wasserscheide der ersten Ordnung

sein, und Elbe wie Weser ihre Quellen dort haben, während

diese beiden Ströme von viel ferner liegenden, weniger hohen

Gebirgen herabkommen. So sollte man wohl auch annehmen

dürfen, dass die Wasserscheide auf dem Harz diesem von Süd-

- 49 -

ost imch Nordwest erhobenen breiten Gebirgsrücken in der Rich- tung seiner Hauptlängeerstrekung auf seinem Kamm liegen werde, während sie gerade rechtwinkelig darauf von Südwest nach Nord- ost quer über den Kamm setzt. Aehnliche Erscheinungen bietet der Thüringer Wald mit seinem von Südost nach Nordwest gezogenen langen scharfen Kamm. Er scheidet Thüringen von Franken, das Main- von den norddeutschen Strom- ge bieten, dennoch aber liegt die Wasserscheide des Mains und der Weser auf der Südseite des Kammes und nur ein Theil des Gebirgs sendet seine Wasser in den Main, während die Wasserscheide beider Ströme gänzlich ausserhalb des Ge- birgs und zwar zwischen Hildburghausen und Meirich- stadt, da wo die Fränkische Saale entspringt, hegt. So liegt auch die Wasserscheide zwischen Elbe- und Weserge- biet (zwischen Saale und Werra) auf der Nordseite dieses Gebirgs quer gegen die Richtung des Gebirgskammes ohne Verbindung mit demselben und so wenig durch einen Höhen- zug geschieden, dass man bei Gotha einen seinem freien Ge- fall überlassenen Canal gegraben hat, welcher beide Flussgebiete verbindet.

Das Erzgebirge, von der Elbe berührt, ist ganz ohne Einfluss für das Wassersystem derselben und hat lediglich keinen Antheil an der Bildung ihrer Hauptquellen.

Noch ungleich bedeutungsvoller treten jedoch diese Abwei- chungen im Laufe der Gebirge und der Wasserscheiden an der nördlichen Seite der Alpen auf.

Das grossartigste Thal in ganz Europa ist unzweifelhaft das zwischen den Alpen und dem Jura zweien mächtigen parallelen Gebirgszügen einerseits von 5 8000 , andrerseits von 3 5000 Fuss Höhe hinziehende Thal, dessen hügeliger Boden unzweifelhaft einst Seebecken war und es theilweise in den Schwei- zer Seen, dem Genfer-, Neufchateler-, Züricher-See, dem Bodensee, den bayrischen Ammer-, Wurm-, Tegern-, Chiem- und andern Seen noch ist.

Man sollte nun wohl mit Recht annehmen dürfen, dass die Gewässer beider Gebirge der Mitte dieses Thaies zufiiessen wer-

Württemb. naturw. Jahreshefte. 1856. Is Heft. 4

50 -

den und dass sich daselbst die Stromrinne der Donau tief aus- gefurcht befinden müsse ; so ist es auch östlich in diesem gros- sen Becken der Fall, wo die Donau zwar nicht in der Mitte, jedoch der Thalrichtung parallel läuft. Dennoch ist ihr Ursprung nordwestlich vom Boden see, während der Rhein quer durch dieses Thal vom Bodensee aus westlich bei Seh äff hausen gewaltsam durchbricht, bei Basel sich plötzlich wendet und zwischen zwei ganz anderen Gebirgssystemen nördlich abfliesst.

Wollte dieses Thalbecken nach den Gesetzen der Spülung gebildet (wie dies früher der Fall war) angenommen und betrach- tet werden, so müsste nothwendig auf der Nordseite des Bo- den s e e s ein hoher Gebirgsrücken gegen den Schwarzwald sich hinziehen und das Rhein- von dem Donaugebiet trennen ; allein auch das ist nicht der Fall , denn das zwischen beiden Strömen liegende aufgeschwemmte Land ist theils sanfthügelig, allermeist aber eben und erhebt sich über das Donaugebiet kaum 300 Fuss , die Linie der Wasserscheide selbst ist aber so wenig ausgeprägt, dass sie in der Gegend des Federsees, oder zwi- schen Riss- und S c h u s s e n f 1 u s s in dem sogenannten Krebs- graben nur vermittelst der Schärfe des Nivellirinstruments nach längerer Untersuchung gefunden werden kann.

Eine weitere auffallende Erscheinung bietet die untere Arge, ein in dem Rheingebiet des Vorarlberg entsprin- gender wilder Gebirgsfluss dar, der die Richtung anfänglich in das Donaugebiet nimmt, der Donau-, Rhein-Wasser- scheide sich bis auf einige tausend Fuss zwischen Isny und Leutkirch (oder schärfer bezeichnet, zwischen Isny und Frie- senhofen) unter Umständen nähert, die es wirklich unbegreif- lich machen, dass er an dieser Stelle , an welcher nur wenige Fuss Höhe auf einige tausend Fuss Länge zu überwinden waren, nicht der Hier zugeeilt ist und sich auf diesem natürlichen Weg mit der Donau vereinigt hat, während er sich plötzlich von dieser günstigen Wasserscheide abwendet, das Schuttland und tertiäre Sandsteingebilde gewaltsam und tief durchfurcht, eine seiner ur- sprünglichen Richtung gänzlich entgegengesetzte annimmt und sich in den Bodensee stürzt. Ebenso merkwürdig ist es, dass in der

- 51 -

Zeit, in welcher das Donauthal, ohne Zweifel von der Öster- reichischen Grenze an , ein Seebecken und noch mit Wasser erfüllt war, dieses Wasser selbst nicht natürlichere Abflüsse ge- nommen, dass zmii Beispiel die Gewässer dieses Sees, die doch als hochaufgestaut angenommen werden müssen , nicht in der verlängerten Richtung der Mindel (Bayern) durch das Brenz- thal, das sehr wenig Gefäll hat, in den Jura eingedrungen und über die wenige Fuss erhobene Donau-Rhein- Wasser- scheide zwischen Brenz und Kocher bei Königsbronn ab- geflossen sind und sich durch den Kocher mit dem Neckar und Rhein vereinigt haben.

Dass dieser Fall , sowie eine grosse Zahl ähnlicher nicht eingetreten sind, hat seinen Grund ohne allen Zweifel in der Zeitfolge des Ablaufs der grossen Binnenseen.

Denken wir uns den Rhein bei Bingen geschlossen, das Rheinwasser bis gegen die Alpen aufgestaut, den Abfluss des Neckars zwischen Heilbronn und Heidelberg gehindert, den Main- abfluss durch den Odenwald und Spessart abgeschlossen und so- mit das schwäbisch-fränkische Muschelkalkbecken tief mit Wasser bodeckt, das Donauthal als einen grossen Binnensee, so stunden wohl die Gewässer aller dieser Seen durch die jetzigen so merkwür- digen Wasserscheiden unter sich in Verbindung und die Alpen, der Jura, Schwarzwald, Odenwald , Spessart , die Keupergebirge Schwabens u. s. w. ragten als Inseln , die durch schmale Durch- fahrten (die jetzigen am tiefsten liegenden Wasserscheiden) ge- trennt waren, aus diesen Binnenseen hervor.

Nothwendig musste der Durchbruch bei Bingen zuerst er- folgen, den Durchbruch zwischen Schaff'hausen und Basel aber unmittelbar nach sich ziehen, wodurch die Richtung des Rhem- abflusses bestimmt wurde, denn wäre das Donaubecken zuerst abgelaufen, so hätte der Rhein off'enbar seinen Abfluss durch das grosse Donauthal genommen.

Dem Reindurchbruch bei Bingen und Schaffhausen folgte der Ablauf des schwäbisch-fränkischen Muschelkalkbeckens durch den Durchbruch des Neckars zwischen Heilbronn und Heidelberg und

4*

-- 52

wohl lange nachher ist der gänzliche Abfliiss des hochgelegenen Donaubeckens erfolgt.

Hätte man zusammenhängende Nivellements aller Hauptwas- serscheiden, und eine entsprechende Zahl von Querprofilen dieser grossen Seebecken, sowie genaue Angaben der Höhe ihrer ehe- maligen Dämme, die den Abfluss hinderten , so Hesse sich diese unsere Behauptung ohne allen Zweifel mit mathematischer Evidenz erweisen.

Die Erscheinung in dem grossen Thal zwischen den Alpen und der Jurakette und ihr Wasserabfluss wiederholt sich in dem südwestlichen Theile der Schweiz noch einmal.

Die Rhone, in den Hochalpen entsprungen, geht ebenfalls wie der Rhein quer durch ein grosses Thal vom Genfersec aus in das südliche Frankreich, während die Wasserscheide zwi- schen dem Genfer und Neufchateler See von keiner sehr bedeutenden Höhe , vielmehr nur ein verhältnissmässig niedriger Sattel zwischen Jura und Alpen ist, und demnach die Rhone, wenn die Gebirge auf den Lauf der Flüsse einen so bedeutenden Einfluss hätten, wie man früher glaubte, ihren natürlichsten Abfluss längs der Jurakette durch den Neufchateler See und in den Rhein nehmen müsste, oder wenn auch dieser der Richtung der Hauptgebirge folgen und in dem grossen Thal (Donauthal) abfliessen würde, so müsste die Rhone wohl auch diese Rich- tung einhalten.

Diese, sowie noch eine grosse Anzahl von gleichen That- sachen, die wir wegen Zeitkürze hier mit Stillschweigen über- gehen, führen uns zu dem Satze:

dass es grosse Strecken auf der Erdoberfläche gebe, wo die bedeutendsten Wasserscheiden ohne alle Gebirge stattfinden.

Vn. Professor Dr. Reuschi e zeigte den Schieferglobus von Brandegger in Ellwangen, welcher sich durch Brauchbar- keit für den Unterricht und durch massigen Preis auszeichnet.

VIH. Professor Dr. Krauss sprach über einige, für die Landwirthschaft schädliche Insekten.

- 53 -

Der Raupenfrass hat in diesem Frühjahr auf den Obstbäu- men der Umgebung Stuttgarts wieder grossen Schaden angerich- tet. Hier, sowie auf den Fudern, im Neckarthal und an anderen Orten waren strichweise die Apfel- und Birnbäume häufig voll- ständig entblättert. Untersuchte man solche Bäume näher, so waren es hauptsächlich die Raupen des Frostnachtschmet- terlings (Geometra (AsidaliaJ brumata L.), von welchem im vorigen Herbst gleich nach dem ersten Froste ungewöhnlich viele zu sehen waren. Hätten die Obstbaumbesitzer damals so- gleich beim Erscheinen der Schmetterlinge ihre Bäume durch die schon öfters anempfohlenen Fechgürtel vor dem Hinaufkriechen der ungeflügelten weiblichen Schmetterlinge gesichert , so wäre gewiss mancher Baum verschont geblieben, denn man muss, um ein günstiges Resultat zu erzielen, die Schmetterlinge vertilgen, ehe sie an die Knospen ihre Eier legen, aus welchen im Früh- jahr bei günstiger Witterung die Raupen auskriechen. Viele Obstbaumbesitzer legen zwar Pechgürtel an, aber sie sorgen nicht dafür, dass die Fapiergürtel auf eine Unterlage von Abwerg, Moos etc. fest und genau um den Baum gebunden und das darauf gestrichene Pech bei jeder Witterung und Temperatur stets zäh erhalten wird, damit die Schmetterlinge weder darüber noch darunter wegkriechen können. Ausser diesem wenn richtig angewendet zuverlässigen Mittel, ist auch das Um- graben der Erde um die Bäume zu empfehlen, wenn die Raupen sich im Juni unter der Erde eingepuppt haben.

Neben den Frostnachtschmetterlingen bringen auf unseren Apfelbäumen auch die Laubholzmotten, insbesondere Tinea (Hyponomeuta) padella L. grossen Schaden hervor. Früher wurden dieselben hauptsächlich nur auf den Traubenkirschen (Prunus Pa- dus L.) angetroffen, wo sie in manchen Jahren grosse Verheerungen anrichteten, wie Jedermann sich z. B. in den k. Anlagen überzeugen konnte. Seit einigen Jahren verbreiteten sie sich aber mehr und mehr in den Baumgärten des Stuttgarter Thals. Die Raupen schlüpfen ebenfalls im Frühjahr aus, zeichnen sich aber von den des Frostnachtschmetterlings ausser der Färbung dadurch aus, dass sie gesellschaftlich in grösseren Gespinnsten beisammenleben

- 54 -

und sich auch m denselben im Juni oder Juli einpuppen. Diese Lebensweise gibt ein sicheres Mittel zu ihrer Vertilgung, wenn man um diese Zeit die Nester von den Bäumen abliest, aber man darf den Zeitpunkt nicht versäumen, weil die Schmetterlinge schon nach 2 3 Wochen ausschlüpfen und ihre Eier sogleich an die Zweige legen.

Für die Landwirthschaft nicht minder schädlich sind die Maulwurfsgrillen, Werren , (Gryllotalpa vulgaris) , von welchen Oberamtsarzt Dr. Hauff in Kirchheim einige Exemplare zum Vorzeigen eingeschickt hatte. Sie richten, wie bekannt, in Wiesen, Aeckern, Gärten und Waldungen grossen Schaden an, indem sie die jungen Pflanzungen durch ihre Gänge umwühlen und die Wurzeln zernagen. Sie wurden heuer im Juni, zu welcher Zeit sie sich begatten, in den Oberämtern Kirchheim, Göppingen und an andern Orten in ungewöhnlich grosser Zahl des Abends herumflatternd gesehen. Diese Zeit ist die günstigste um sie zu vertilgen, und es lohnt sich schon der Mühe, sie während des Fluges oder in den leicht kenntlichen Nestern unter der Ober- fläche der Erde oder durch Eingraben von Häfen fangen zu lassen, wenn man bedenkt, dass ein einziges Weibchen zuweilen mehr als 200 Eier legt, welche schon nach 2 3 Wochen aus- schlüpfen.

Professor Dr. Krauss zeigte einige erkrankte Kartof- lelpflanzen vor und bemerkte hiezu, dass er schon in den ersten Tagen der kalten und nassen Witterung, welche vom 16. bis 24. Juni eingetreten ist, in seinem Garten beobachtet habe, wie die Blätter der Kartoffelpflanze sich gekräuselt haben und wie sie bald darauf, zuerst die tieferstehenden Blätter, von den Rändern gegen die Blattrippen um sich greifend, schimmelig und schwarz geworden und zuletzt ganz vertrocknet sind. Von da aus hat sich die Erkrankung auch auf die Stengel erstreckt, doch hat die Krankheit wenigstens äusserlich nicht weiter um sich gegrifi'en, weil bald darauf heisse und trockene Witterung eintrat, wodurch das Kraut sich auch wieder vollständig erholte.

Hiezu kann derselbe noch hinzufügen, dass in der ersten Hälfte Augusts bei sehr nasser, aber nicht kalter Witte-

55

rung die Krankheit wieder in stärkerem Grade an dem Kraut aufgetreten ist, dass aber an den Knollen solcher erkrankten Pflanzen bis zur Mitte Augusts wenigstens in seinem Garten nichts zu bemerken war. Wenige Tage später aber hat die Kranklieit, als die Witterung fortwährend nass und schwül blieb und an zwei Morgen sogar nebelig war, so schnell um sich ge- griffen, dass das Kraut in 2 Tagen abgestorben war und selbst viele Knollen von der Krankheit ergriff'en wau'den. Ja die Krank- heit verbreitete sich sogar auf Frühkartoffeln, welche den 9. und 11. August an 3 verschiedenen Orten gekauft und äusserlich vollkommen gesund auf dem Dachboden aufbewahrt wurden, am 23. August fast bis zur Hälfte als ungeniessbar weggeworfen werden mussten.

IX. Professor Dr. Veesenmeyer von Ulm zeigte das Herbarium Hieronymus Härders aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, und fügte daran folgende Bemerkungen:

Auf der Ulmer Stadtbibliothek findet sich unter andern „Kräuterbüchern" auch ein wohl erhaltener starker Folioband mit Holzdecken und Klausuren, welcher das wahrscheinlich älteste Herbarium vivum in unserem Vaterlande enthält, und wohl eines der ältesten, welches überhaupt existirt. Es sind in dem- selben fast achthalbhundert getrocknete Pflanzen sorgfältig auf- geklebt, und wunderbarerweise mit sehr wenigen Ausnahmen so erhalten, dass man sie erkennen und bestimmen kann. Solche Pflanzentheile, welche sich nicht wohl platt pressen lassen , sind entfernt und mit der Feder und mit Farben ergänzt, so nament- lich holzige Stengel, Wurzeln , Zwiebeln und Knollen ; auch der Standort ist hie und da in gleicher Weise illustrirt, so Baum- stämme als Sitz von Moosen, Sumpf oder fliessendes Wasser mit einer Staffage von Fischen und Fröschen. Ueberall sind lateinische und deutsche Benennungen beigeschrieben, von der- selben Hand, welche den Titel, die Vorrede und das Register geschrieben hat. was zugleich eine Bürgschaft dafür abgibt, dass die ganze Sammlung zu der Zeit, wo das alphabetische Register gefertigt wurde, von dem Verfasser und Sammler abgeschlossen war.

56 -

Der hübsch geschriebene Titel lautet: MxenUxbxfd).

IJartnn: 746 £öbtnViQa begriffen tinl» nngefaet fex^titt. Wie |te lier 5lUm0d)tiö <i^ott felbs erfcfiaffen m\\f auff extten l)tttt roadjfen [affin. Pas unmiifllid) t|i , %inem malet (aud) töie kmi|lrci4) er fei), ^0 lebltd) aii tag ^na geben, ^eben tien getrncKten j^reuter- bied)ern lite hreuter 3U ^rkenen gau^ nu|ltd). infamen getragen mitt in t>i|? roercH (i[?e0rlinet tmxd) ^xexoni)mi\ ^artierü ^impUrt(ie 3U mint. 5lnn0 1594.

Ein Hieronymus Härder war zuerst Schulmeister in Ueberkingen bei Geisslingen, sodann Präceptor an der lateinischen Schule in Ulm, von 1600 an aber Pfarrer in Reuti ob der Do- nau — im ehemaligen Ulmergebiet, jetzt im bairischen Landge- richt Neuulm , wo er 1614 starb; und das ist ohne Zweifel ein und derselbe Mann mit unserem Botanikus. Weiteres über ihn ist nicht zu erkunden gewesen. Wenn er sich einen Sim- plicisten nennt, so bedeutet das einen, der sich m\t simplicibus, d. h. mit einfachen Arzneimitteln , namentlich Kräutern , abgibt und damit handelt.

In der vier enggeschriebene Folioseiten starken Vorrede bemerkt der Verfasser, dass er einige solcher Sammlungen zu- sammengestellt und bei grossen Herrn, z. B. bei Herzog Al- brecht von Baiern, bei dem Bischof von Augsburg, „dem von Knöringen," augebracht habe , welche besonderes Gefallen daran fanden. Dieselben seien aber nicht allein zur Lust, son- dern auch zum Erkennen der Pflanzen sehr nützlich, und durch Abbildungen nicht zu ersetzen. Er habe die meisten mühsam aus Feld und Wald zusammengesucht, einige auch in seinem Gar- ten erzogen.

Dass er fleissig botanisirte , davon gibt seine Sammlung gutes Zeugniss. Die Ulmer Gegend enthält bekanntlich mehrere Raritäten der württembergischen Flora, einige davon finden sich schon in diesem alten Herbar: so z. B. Ornithogalum um- bellatum L. (^Hyacinthus orientalis^^ nennt er es) ; Linum fla- vum L. (,JAnum montanum %ex^ jfein" bei unserem Autor);

57

Cerato cephalus falcatus Mönch, *) („Coronopus agrestis JltHer j^räffuDö"); Parietaria officinalisL. (y^Parietaria %a^ tJnl» tHat^t otJ^r ^ant Jflfterökraut , (i^laskraut") findet sich jetzt nicht mehr bei Ulm ; Helleborus viridis X. („ Veratrum nigrum. ^(i)XDat^ "Hie^ujur^ (ftfiv Cl)ri|ln)ur^.") Euphorbia Peplus L. war damals schon eingewandert. Dagegen vermisst man Eranthis hiemalis Sal., Scilla amoena L. u. a.

Garten- und exotische Pflanzen hat unser Band im Ver- hältniss nur in sehr geringer Anzahl : einige offenbar zur Ver- gleichung, so die Nigella damascena und sativa L. neben der arvensis\ die Lychnis chälcedonica („Ocymoides de Candia^), wel- che also damals auch schon aus dem Osten eingeführt war, unter andern Sileneen ; Cheiranthus Cheiri (Cheyri lutei, (JPel t^iolcii, Leucoion luteum'^) neben den Veilchen, u. a.

Interessant ist unter anderem jedenfalls auch, dass im Jahr 1594 in Ulm schon zwei Tabackarten, Nicotiana Tabacum L. und rustica L. gezogen wurden. Beide finden sich sauber einge- legt und wohl erhalten. Bei dem letzteren steht beigeschrieben ,yNicoiiana. siue Hyosciamus nohilis. (ßti^l Bilfen, 3nliiani|*d) lüf^untkraut/' bei dem ersteren: ,yTäbacum siue Sana sancta.

•) Dieses merkwürdige kleine Pfläozcheu, welches der württembergischeii Flora kaum mehr angehört, da es sich gegenwärtig nnr noch anf bairischem Boden jenseits der Donau und Hier zu finden scheint, kömmt im westlichen Europa überhaupt nur sehr sporadisch vor. Man nennt als Standorte die Gegend von Marseille, Ulm, Vohburg in Baiern, (Wien), Mähren. Nach Osten wird es häufiger; ganz gemein fand ich dasselbe an der untern Wolga, der ulmischeu Pflanze vollkommen ähnlich. Es ist hier zu bemerken, dass auf- fallender Weise in der neuesten Ausgabe von Kochs Synopsis florae Ger- maniae unter den Berichtigungen im Nachtrage gesagt ist, der Standort bei Ulm liefere den Ceratocephalus orthoceras Mönch. Dem ist nicht so , und diese Berichtigung also wieder zu berichtigen. Noch eine Confusion hat sich eingeschlichen; in der Beschreibung des C. falcatus sagt Koch wie Decandolle, er habe carpella dorso inter gibberes non carinato, sed ca- naliculato. Das ist bei den Exemplaren von Ulm so wenig, wie bei denen aus Russland der Fall , wie eine Anzahl reifer Fruchtexemplare beweisen, die ich für die Sammlung unseres Vereins mitgebracht habe. Sollte De- CandoUe eine andere Art vor sich gehabt haben?

58

^aiitfl 1110 unl» kraut. Aus Conr. Gesneri epistolae medicina- les, Turini 1577 4^ S. 96 sehen wir, dass 1565 Adolphus Occo, Arzt in Augsburg, aus Frankreich trockene Blätter von dem berühmten neuen Wundkraut bekommen hatte. Er schickte davon an einen gelehrten Memminger Arzt, Joh. Funk, und dieser sendete sie an den berühmten Gesner in Zürich, welcher das Kraut nicht kannte. Durch Benedict Aretius in Bern erfuhr er dann, dass diess Kraut der Tabak sei. Bald nachher beschrieb Tabernaemontanus die Tabakspflanze genau und bildete sie ab, Mathias de Lobel dessgleichen (in nova Stir- pium Adversaria, Antverp. 1573), welcher auch schon bemerkt, dass das Tabakrauchen bei den aus Amerika Zurückkommenden sehr gemein werde. In Deutschland scheint das Rauchen erst später, seit dem Beginn des dreissigjährigen Krieges, Eingang gefunden zu haben: vgl. Tiedemann, Geschichte des Tabaks, Frankfurt 1854. S. 165 ff.

Aus seinem Vorrath von Simplicibus klebte unser Härder auch Sennesblätter (,3ettvtbldl/' p. 137. „Sena folia'' p. 187) und -Schoten in sein Kräuterbuch, und ergänzte dazu mit rich- tigem Takt eine gelbe gehäufte Schmetterlingsblüthe.

Ausser dem Licentiaten Johann Dietrich Leopold, Medi- einae Praktikus in Ulm, dessen Deliciae Sylvestres Florae Ulmen- sis etc. Ulm 1728. wohl bekannt und noch jetzt in Ulm ziem- lich verbreitet ist, und dem Cantor Schöpffius, welcher über hundert Jahre früher ein Pflanzenverzeichniss herausgab, welches ich bis jetzt nicht habe zu Gesicht bekommen können,*) hätten wir also in Hieronymus Härder, dem Simplicisten , einen dritten um die Pflanzenkunde Ulms verdienten Botaniker aus einem noch früheren Jahrhundert kennen gelernt, welchem hie- mit ein ehrendes Andenken in der Versammlung vaterländischer Naturforscher gesetzt sein soll. Die alte Reichsstadt Ulm aber hat den Ruhm, den sie mit keiner andern Stadt in unserem

•) Es führt den Titel: Hortus Paradisiacus ülmensis, d. i. Verzeichniss der Simplicium, deren über 600, welche in Gärten und nächstem Bezirk um des heil. Rom. Reichs Stadt Ulm zu finden. Ulm 1622. 8°. Ich wäre für eine nähere Nachricht von diesem Buche sehr dankbar.

- 59 -

Vaterlande theilt, dass sie aus jedem der letzten vier Jahrhim- derte einen einheimischen Floristen aufweisen kann , da das treff- liche Werkchen unseres emsigen Vereinsmitglieds Fr. Valet (Uebersicht der in der Umgegend von Ulm wildwachsenden Pha- nerogamen. Ulm 1847) die Reihe derselben würdig beschliesst.

X. Prof. Dr. Reu seh von Tübingen zeigte neuconstruirte Maximal- und Minimalthermo meter von Mollenkopf in Stuttgart.

XL Professor Hol tz mann demonstrirte einen neuen Ap- parat von Prof. N ö r r e n b e r g für Hervorbringung der subjek- tiven Farben.

XH. Professor Dr. Fleischer von Hohenheim hielt fol- genden Vortrag:

Hochverehrte Herren I

Ueber einige, wie ich glaube, nicht uninteressante Gegen- stände wollte ich mir erlauben, Ihnen ausführliche Mittheilungen zu machen, wegen der schon sehr vorgerückten Zeit darf ich jedoch Ihre Aufmerksamkeit nur auf wenige Augenblicke mir erbitten. Die betreffenden Gegenstände, welche zu näherer Besichtigung vorliegen, gehören allen drei Reichen der Natur an.

Als ich heute Morgen von Hohenheim herab durch den Wald ging, vernahm ich in der Nähe einer Pflanzung hoher Fichten ein sehr lautes Insektengesurre, ähnlich dem schwärmen- der Bienen. In der That bemerkte ich auch die mir zunächst- stehenden Fichten von den untern Zweigen bis hoch hinauf gegen die Gipfel , so weit das Auge es zu erkennen vermochte , von unzähligen Bienen und anderen honigsuchenden Insekten um- schwärmt. Man muss wohl fragen, was veranlasst diese fleissigen Thierchen in jetziger Jahreszeit, in welcher die Fichten nicht blühen, zu einem so zahlreichen Besuche derselben mitten im Walde? Der Grund davon ist folgender:

Auf der Fichte lebt eine Schildlaus, Coccus dbietis L. Sie bemerken dieselbe auf den mitgebrachten Zweigen in Gestalt kleiner, brauner, beerenartiger Körperchen, die hauptsächlich in den Winkeln der kleinsten Verzweigungen der Fichtenreiser sitzen.

- 60

Diese ßchildlaus schwitzt, was vielleicht Manchem der verehrten Anwesenden unbekannt sein dürfte , zu gewissen Zeiten einen klaren^ äusserst süss schmeckenden Saft, einen wahren Honig aus, der nicht selten zu kleinen Tropfen sich ansammelt, in die- ser Weise herabfällt und die darunter sich befindenden Zweige klebrig macht. In dieser süssen Ausschwitzung liegt also die Antwort auf obige Frage.

Abgesehen davon, dass diese unscheinbaren Thierchen un- sere Beachtung verdienen, insofern sie uns, wenn schon auf Um- wegen, aus den harzigen Säften der Nadelwaldungen Honig liefern, haben sie noch ein anderes, mehr bloss wissenschaftliches Inte- resse, das zu berühren mir gestattet sein mag. Es sind dieselben nämlich die Heimath verschiedener Parasiten. Nicht weniger als 17 Species verschiedenen Abtheilungen, wie den Käfern, Netz- und Hautflüglern, angehörende Insekten entwickelten sich in vielen Exemplaren aus einer verhältnissmässig kleinen Anzahl solcher Schildläuse, welche ich im vorigen Jahre von Fichten eines Gartens zu Hohenheim unsern verehrten Mitgliedern, den Herren Direktor v. Roser und Professor Hochstetter mit- getheilt hatte. *)

*) Herr Director v. Roser hatte die Gute, die aus den ihm im vori- gen Jahre mitgetheilten Exemplaren von Coccus abietis erhaltenen Para- siten, von ihm schön zusammengestellt der Versammlung zum Vorzeigen zu gestatten. Nach dessen gefälliger Mittheilung bestehen dieselben aus folgen- den Species :

Anihribus varius. Ptinus crenatus, Psocu8 quadripunetatua. strigosus. irroratus. Encyrtus lunatus V et 0 (die Geschlechter sehr unähnlich.) filicornis. y et 0 aestivus. ambiguus. brevicornis. Sodann 7 weitere noch unbestimmte Species von Encyrius, Eulophus

Elachistus ' ^^^^ unbestimmt.

-~ 61 --

Ferner habe ich der verehrten Versammlung eine höchst auffallende Degeneration der Blüthen des Kohlrepses vorzulegen die Ehre. Ich habe diese interessante Missbildung, bei welcher sich sämmtliche Blüthenorgane in ganz ungewöhnlicher Weise verwandelt haben und die Samenbildung beeinträchtigen, im vo- rigen Jahre schon auf den Feldern Hohenheims häufig gefunden und ist sie auch in diesem Jahre daselbst nicht selten. Da jedoch ein näheres Eingehen auf diesen Gegenstand besonders nur für die anwesenden Herren Botaniker von Interesse sein dürfte, so beschränke ich mich hier auf Mittheilung von Exem- plaren an die sich für den Gegenstand interessirenden verehrten Mitglieder, mir vorbehaltend, eine nähere Beschreibung desselben in unsere Jahreshefte niederzulegen.

Endlich erlaube ich mir, der hochansehnlichen Versammlung eine Reihe erbsensteinartiger Kalksinterbildungen vorzulegen. Be- kanntlich bildete sich der Erbsenstein Karlsbads durch allmähli- gen Kalkniederschlag aus den heissen, im fortwährenden Aufspru- deln begriffenen dortigen Quellen auf kleine Sandkörnchen, bis die losen Erbsen durch den gleichen Niederschlag zu einem festen Gestein verkittet wurden. Die von mir hier vorgelegten erbsen- artigen Sinter wurden nicht in dieser Weise, sondern durch Herabträufeln einer kalkreichen Mineralquelle, ähnlich den auf- wärts wachsenden Stalagmiten in den Kalksteinhöhlen, erzeugt. Die einzelnen Erbsen besitzen dieselbe concentrischschalige Struc- tur wie jene Karlsbads , sind aber nur selten so vollkommen kugelig wie diese, sondern häufig ungleich polyedrisch, überhaupt von mehr unregelmässigen Formen. Ferner variiren sie in der Grösse von feinen Sandkörnchen bis zu der einer Wallnuss und darüber, verkitten sich nicht zu einem festen Gestein, sondern bleiben lose, so dass sie gelblichweissem Kalksand und Kalkge- schieben sein* ähnlich werden, für welche ich sie auch, ehe ich ihren Ursprung kannte, ohne Weiteres hielt. Auffallend ist die spiegelglatte Oberfläche vieler dieser Sinterkugeln, auch enthält häufig eine Kugel mit rauher Oberfläche eine kleinere mit solcher wie polirt erscheinender Oberfläche.

Herr Professor Quenstedt beschreibt in seinem Handbuche

~ 62 -

der Mineralogie ähnliche äusserst glatte, glänzende, Gallensteinen gleichende Kalksteine, welche von ihm in der Erpfinger Höhle gefunden wurden, woselbst sie mitten im knochenhaltigen braunen Lehme zu 50 bis 60 Stück mit Kalksinter überzogene Drusen- räume ganz erfüllten. Er erklärt sie für eine der räthselhaftesteu Bildungen und fragt: wie kann man solche Kalkbildungen in einem rings geschlossenen Räume mitten im Lehm erklären. Die Contenta eines Bärenmagens können es doch nicht wohl sein?

Sollten nicht diese Erpfinger glatten Kalksteinchen sich, wie die vorliegenden, durch herabfallendes kalkreiches Wasser gebil- det haben? Das herabströmende Wasser höhlte sich eine Vertie- fung im Lehm aus , deren Wände allmählig incrustirten, während in dem ausgehöhlten Räume die Steine durch das beständig von oben herabfallende Wasser sich bildeten, bis endlich über den- selben die Druse durch Incrustation sich schloss und später mit Schlamm bedeckt wurde. Diese Erklärung scheint mir die na- türlichste zu sein.

Die von mir vorgelegten losen Kalksintersteine stammen aus keiner Höhle, auch nicht aus Württemberg. Ich sammelte sie im vorigen Herbste in der in naturhistorischer Hinsicht so äusserst interessanten Umgegend von Tarasp im Unterengadin. In einem Umfange von nur einer Quadratmeile entspringen hier mehr als zwanzig Mineralquellen von sehr verschiedener chemi- scher Beschaffenheit, darunter namentlich mehrere kräftige Säuer- linge. Einzelne von diesen sind besonders reich an kohlensaurem Kalk, welchen sie zum Theil in freistehenden Hügeln von 20 bis 30 Fuss Höhe abgesetzt haben. Einer solchen kalk- reichen Quelle verdankt auch der vorliegende erbsenartige Sinter sein Dasein. Die Quelle ergiesst sich (im Val Champatsch) über eine steile Felswand, welche sie mit Tuff" von Bienen-waben- artigem Aussehen, wovon ein Stück vorliegt, übprkleidet, sie bildet dann einen kleinen Wasserfall, welcher auf einer vorsprin- genden horizontalen und etwas ausgehöhlten Felsplatte die Kalk- erbsen erzeugt. Zugleich werden verschiedene andere Gegenstände die zufällig an diese Stelle gelangten, wie Blätter, kleine Zweige etc. mit Kalksinter incrustirt, ebenfalls lose unter den Erbsen gefunden.

_ 63 ^-=

Prof. Fleischer sprach ferner noch über das Vorkommen von edlem Beryll im Granit bei Schramberg und zeigte davon Exemplare vor.

XIII. Dr. W ein 1 and von Berlin sprach über einen pro- visorischen Zahn, welcher der jmigen Ringelnatter und anderen beschuppten Reptilien zum Aufschlitzen der Eihäute dient. (Die Abhandlung mit Abbildung soll später folgen.)

XIV. Finanzrath E s e r zeigte folgende Petrefakten vor ;

1) aus Molasse am Gaisberg bei Ulm:

a) Schneidezahn von Rhinoceros incisivus Cuv., 6" lang, sonach von ungewöhnlicher Grösse,

b) ein Backenzahn, stark abgekaut, von dem gleichen Thiere.

Beide Zähne dürften auf ein hohes Alter des betr. Thieres schliessen lassen.

2) aus Krebsscherenkalk von Söflingen bei Ulm:

a) Odontopteris jurensis Kurr, in der Gegend von Ulm erstmals gefunden.

b) Zähne von Geosaurus maximus Plien. (Megalosaurus Q neuste dt) im Krebsscheerenkalke sehr selten.

c) Leptolepis (sprattiformis Ags?)] das erste Exemplar eines vollständigen Fisches, welches im obersten weissen Jm*a der Gegend von Ulm gefunden worden ist.

d) mehrere Gasteropoden von vorzüglicher Erhaltung , dem Genus RosteUaria angehörig.

XV. Obermedicinalrath Dr. v. Jäger sprach über das Ver- hältniss der parasitischen Gewächse zu der Nähr- pflanze und erläuterte durch einige Präparate seinen der vor- gerückten Zeit wegen abgekürzten Vortrag, den wir hier nach dem uns übergebenen Manuscripte mittheilen.

Die Verhältnisse der in oder auf dem thierischen Körper- Organismus lebenden Parasyten haben wegen ihrer unmittelbaren meist nachtheiligen Einwirkung auf das Individuum, das ihnen zur Wohnstätte dient,*) von jeher die Aufmerksamkeit der

*) Nach der iu den Smithsonian Coutributions to knowledge 1851

- 64 "-

Aerzte und Naturforscher erregt; dennoch hat erst in neuerer Zeit die Anatomie und Physiologie der parasytischen Thiere selbst bedeutende Fortschritte gemacht, wozu auch unsere Vereinshefte mehrere Beiträge geliefert haben. Die Verhältnisse der auf Pflan- zen lebenden thierischen Parasyten haben gleichfalls ihrer ökonomischen Bedeutung wegen vielfache Untersuchungen ver- anlasst, indess ihr physiologisches Verhältniss noch der Fort- setzung derselben zu bedürfen scheint. Dasselbe gilt von den vegetabilischen Parasyten , ich erlaube mir daher , einige Beobachtungen über einen Loch er schwamm (Polyporus angulatusj, und die Mistel fViscmn album) mitzutheilen. Das vorliegende Stammstück eines Kirschenbaumes von beiläufig 3V.>" Durchmesser, dessen unterer Theil zunächst des frischen Säge- durchschnitts noch nicht ganz abgestorben war, zeigt den Poly^ porus in 2 kleineren und 2 grösseren Exemplaren, von welchen die erstere eine Länge von 6 -7'" und eine Breite von 3'" haben. Der darauf folgende Schwamm nimmt von unten nach oben an Umfang zu, er hat an seinem oberen Ende eine Breite von nahezu 2" und bildet oben eine halbrunde Scheibe. Der oberste von fast gleicher Form steht jenem nur wenig an Länge und Breite nach. Andere dieser Schwämme, welche ich überhaupt vorzüg- lich auf Stämmen und Zweigen von Kirschen-, Zwetschgen-, Reine-claude-Bäumen beobachtete, und die daher der Gattung Prunus besonders zugetheilt zu sein scheinen, hatten die Form einer rundlichen oder länglichtrunden Scheibe und sassen ent- weder flach mit der ganzen unteren Oberfläche auf ihrer Unter- lage auf, oder auch nur auf einem Theil derselben, z. B. an dem vorliegenden abgestorbenen Reine-claudezweige , der nur in der Mitte der Unterfläche des fast kreisrunden, ungefähr iV/' im Durchmesser haltenden Schwamms mit diesem verwachsen ist. Mit der festen Oberhaut des Kirschenstammes wurden nicht nur die auf ihr befindlichen Flechten, sondern auch die kleinen

enthaltenen Abhandlung von J. L e i d y Flora und Fauna within living ani- mals begreifen die Parasytßn der Menschen^ 26 Entozoa, 13 Exozoa und 10 Entophyta.

65

Anfänge des Polyporus abgezogen, doch ging an der Stelle dieser auch ein kleiner Theil der festeren holzartigen Rinde mit ab. Die zwei grösseren Schwämme konnten aber nur mit dem unterliegen- den Theile des Rindenkörpers zugleich abgelöst werden. Es schien jedoch der Schwamm noch nicht in den Holzkörper selbst einge- drungen zu sein, oder die Substanz des anliegenden Holzkörpers verändert zu haben. Dies ist jedoch deutlich an dem vorer- wähnten nur beiläufig 4 5'" im Durchmesser haltenden Reine- claudezweige, indem an der Berührungsstelle desselben mit dem Schwämme die Rinde sammt der anliegenden Holzschichte in eine lockere schurfigte Substanz umgeändert ist. Es scheint dem- nach , dass der Schwamm von aussen nach innen dringt und zwar ohne Zweifel gleichzeitig mit Zunahme seines äusseren Um- fangs. Diese Art der Verbindung suchte ich nun noch auf andere Weise zu prüfen: ich stellte nämlich das beiläufig 10" lange Stammsstück des Kirschenbaumes, dessen obere Sägfläche schon über ein Jahr der Luft ausgesetzt und etwas verwittert war, mit seiner unteren frischen Sägfläche in Wasser. Nach Verfluss von kaum einer Stunde war das Wasser aufgesogen und die Schwämme hatten an Umfang merklich zugenommen und ein frischeres Ansehen gewonnen , und die obere , etwas morsche Fläche des Holzkörpers war sogar etwas feucht gewor- den. Nachdem der Stamm ein paar Wochen wieder an der trockenen Luft gelegen hatte, schnitt ich den Rindenkörper in der Höhe eines Zolls weg, so dass das Wasser nur durch den Holzkörper zu den Schwämmen hinaufsteigen konnte. Die Schwämme zeigten keine merkliche Veränderung, und nachdem derselbe Versuch nach etwa 6 7 Monaten wiederholt wurde, Hess sich gleichfalls keine Veränderung an den Schwämmen erkennen.

In Folge der Austrocknung hatte sich auch der Rinden- körper von dem Holzkörper etwas getrennt, so dass von diesem aus nicht leicht Feuchtigkeit zu den Schwämmen gelangen konnte, die nur durch blosse Haarröhrenwirkung hatte aufsteigen können, nachdem das Stammsstück völlig abgestorben war. Diese Haar- röhrenwirkung vermag aber das Wasser nur auf eine geringe Höhe zu heben, wie diess sehr deutlich aus dem folgenden

Württemb. uaturw. Jahreshefte. 1856. Is Heft. 5

66

Versuche erhellt. An dem oben angeführten abgestorbenen Aste eines sonst noch kräftigen Baums von grüner Reine-claude wurde der den Schwamm überragende Theil abgebrochen und der unter ihm befindUche beiläufig 4" Zoll lange Theil in destillirtes Wasser gestellt, das seine Basis 9'" hoch bedeckte. Nach 24 Stunden war nur sehr wenig Wasser absorbirt und nur der vom Wasser berührte Theil des Astes etwas aufgequollen. Ich brach desshalb ein 2" langes Stück des untern Theils des Astes ab, und stellte den obern, den Schwamm tragenden 2" langen, mit diesem 845 Centigr. wiegenden Theil mit seiner unteren Fläche in dasselbe kleine Gefäss mit destill. Wasser. Es musste in Folge der schnellen Resorption wiederholt aufgefüllt werden und nach beiläufig 14 Stunden waren 555 Centigr. Wasser aufge- sogen und der Schwamm hatte bedeutend an Umfang zugenom- men. Er wog jetzt zusammt dem mit ihm verbundenen Aststück 1400 Centigr. Aus dem Wasser genommen und im warmen Zimmer stehen gelassen, verminderte sich das Gewicht beider auf 838 und nach weiterer Austrocknung in der Nähe des Ofens auf 815 Centigr. Es wurde nun die Rinde am untern Theil des Astes weggeschnitten und derselbe nur mit dem Holzkörper wieder in destill. Wasser gestellt, so dass lesteres blos durch diesen aufsteigen konnte. Nach ein paar Tagen hatte sich das Gewicht des Asts mit dem Schwämme auf 1358 Centigr. ver- mehrt, es waren also 520 Centigr. ohngefähr resorbirt worden. Da kein Wasser mehr absorbirt zu werden und also ziemlich das höchste Gewicht erreicht zu sein schien, welches das Aststück mit dem Schwämme auf diese Weise erreichen konnte, so wurde der Versuch beendigt. Nachdem der Ast mit dem Schwämme einige Wochen im warmen Zimmer gelegen hatte, wurde der Schwamm abgebrochen und nun fand sich zwischen ihm und dem Aste eine schurfigt-blättrige, ziemlich weiche bräunlichgelbe Substanz, welche theils an dem Schwämme, theils an dem Aste zurückblieb. Die Rinde des letzteren war an der Verbindungs- stelle mit dem Schwämme zerstört, und selbst die anliegende Holzsubstanz aufgelockert. Es scheint somit das in dem Holz- körper aufgestiegene Wasser mittelst dieser Zwischensubstanz

- 67

dem Schwämme mitgetheilt worden zu sein. Die auf der Ober- fläche der Rinde befindlichen Flechten bekamen dabei kein frischeres Ansehen. Die Feuchtigkeit war demnach nicht seit- lich von dem Holzkörper nach der Rinde gedrungen. Die obere Bruchflächc des Astes oberhalb des Schwamms war feucht ge- worden, der Schwamm hatte also das weitere Aufsteigen des Wassers nicht gehindert, was sich auch daraus erklärt, dass nur ein Theil des Holzkörpers mit dem Schwämme in Verbindung stand, während der übrige Holzkörper unversehrt geblieben war. Aus dem vorhergehenden Versuche ergibt sich, dass das Wasser durch Haarröhrenwirkung oder durch blosse Adhäsion in dem völlig abgestorbenen Aste nicht auf eine Höhe von 4", dagegen ziemlich rasch auf die Höhe von 2" gehoben wurde. 2) dass diese Haarröhrenwirkung durch den Holzkörper vermittelt wm'de, 3) dass sie von diesem aus seitlich dem Zwischenkörper mitge- theilt wurde. 4) Dem mit dem Kirschenstamme angestellten zwei- ten Versuche zufolge stieg das Wasser, so lange der Stamm nicht abgestorben war, höher, als nachdem er völlig abgestorben war. 5) Neben der Haarröhrenwirkung führt also die organische Tliätigkeit dem Schwämme Wasser aus einer Entfernung zu, aus welcher ihm die Haarröhrenwirkung allein dasselbe nicht zufüh- ren könnte. 6) Der Schwamm scheint also dem lebenden Stamm oder Aste einen Theil seiner Nahrungsflüssigkeit zu entziehen, indem er bis auf den Holzkörper eindringt, indess die auf der Oberfläche der Rinde haftenden Flechten eher vielleicht einen Theil der in der Rinde befindlichen Nahrungsflüssigkeit entziehen könnten. 7) Die Flechten der Rinde sowohl als die tiefer dringenden Schwämme scheinen sehr geeignet, die Feuchtigkeit aus der Atmosphäre aufzunehmen, allein man hat 8) keinen Grund anzunehmen, dass diese sich von ihnen aus der Nährpflanze mittheile und dieser dadurch irgend einen Vortheil gewähre, es scheint vielmehr 9) durch diese hygroscopische Eigenschaft der Parasyten auch ihre selbstständige Entwicklung gesichert zu sein, wodurch zugleich der Nachtheil vermehrt wird, welchen sie als Parasyten, auf das Leben der Nährpflanze haben, indem durch diese selbstständige Entwicklung der Parasyten auch ihre Vermehrung erleichtert ist.

- 68 -

Einigen Versuchen zu Folge, welche ich zu Ergänzung mei- ner 1808 erschienenen Dissertation de effectibus arsenici in varios organismos schon während des Winters 1815 16 mit Birn- und Apfelzweigen anstellte , auf welchen sich Mistelpflanzen [Vis- cum album) befanden, tritt, wenn die Zweige in Auflösung von weissem Arsenik gestellt werden, die nachtheilige Wirkung des Arseniks auf die Mistelpflanzen früher ein, als die Keimangs- fähigkeit der Knospen der Zweige zerstört ist. Wurde nämlich nach 5 Tagen, als die Mistelpflanzcn schon ziemlich gelitten hatten, ein sogar unterhalb derselben befindliches Aestchen eines Apfelzweigs abgeschnitten und in destill. Wasser gestellt, so fiengen die Knospen freilich erst nach 15 Tagen an, sich zu entwickeln. Die Zweigchen des übrigen noch in Arseniksolution stehenden Astes entwickelten sich aber nicht, bis die einzelnen Aestchen abgeschnitten und in destill. Wasser gestellt worden. Die, obgleich sehr verdünnte (blos 8 Tropfen einer Solution von 1 : 32 zu 4 Unzen destill. Wassers enthaltende) Arseniksolution hatte also die Keimungsfähigkeit des Zweigchens eines Astes der während 2 bis 3 Wochen destill. Wasser und verdünnte Arseniksolution aufgenommen hatte, nicht erregt, aber auch nicht zerstört und ihre Wirkung scheint vorzugsweise auf die in frischer Vegetation befindlichen Mistelpflanzen gerichtet gewesen zu sein, welche in dieser Zeit abstarben.

Hermann Gmelin, Sohn des Prof. der Chemie, Christ. Gmelin in Tübingen, fand bei Versuchen, (welche er zu Be- antwortung der für 1842 von der medic. Facultät zu Tübingen gestellten Preisfrage, „in welchem organischen Systeme die von den innerlichen Wurzeln der Pflanzen aufgesogenen Flüssigkeiten durch das Holz des Stammes in die Höhe geführt werden'', an- stellte), dass auch, wenn der fremde Ast noch nicht mit Blät- tern versehen ist, die Flüssigkeiten {Kalinmeisencyanür) und Eisenvitriol- Auflösungen, von dem Viscum aufgesogen werden. Es scheint also , dass die bereits stattgefundene Entwicklung der Parasyten ein Uebergewicht über die Thätigkeit der innerlichen Wurzeln eines fremden Astes hat und dass ebenso die nachtheilige Wirkung des Arseniks sich zunächst nicht den noch unentwickelten

- 69 -

Knospen des Astes, sondern seinen bereits entwickelten Parasyten zuwende. Es erfordert jedoch dieses Resultat noch weitere Begründung durch Versuche. Die betreffende Untersuchung dürfte indess auch insoferne von Interesse sein, als das biologische Verhältniss der Parasyten zu den Nährpflanzen überhaupt weniger aufgeklärt zu sein scheint, als das morphologische, das schon von Malpighi *) in der Abhandlung de Plantis quae inaliis vege- tant. durch Abbildungen erläutert wird.

Auch in der interessanten Darstellung darüber, von Schacht**) vermisst man doch directe Versuche über den Uebergang der Säfte der Nährpflanze in den Parasiten. Es wäre diess um so mehr zu wünschen, als die von Wilt und Frete- pius***) ausgeführten vergleichenden Aschenuntersuchungen der Blätter und Aeste der Mistel mit der des Apfelzweigs, auf dem er gestanden, das merkwürdige Resultat geliefert haben, dass die Mistel doppelt so viel Procente an Kali und das Fünf- fache an Phosphorsäure enthält, als der Apfelzweig! Es wird daselbst bemerkt, die Mistel scheine in Beziehung auf die unor- ganischen Bestandtheile die Funktion der Frucht zu verrichten sofern sie, wie letztere dem Safte des Baumes hauptsächlich die phosphorsauren Salze entziehe und dass hierin gewiss die Schäd- lichkeit dieses Schmarozers, seine den Ertrag des Baums (oder wenigstens des Astes, auf dem er sich befindet) vernichtende Kraft zu suchen sei.

Aus den oben über die Verbindung des Schwamms gemach- ten Bemerkungen, so viel aus der durch Vorweisung von Präpa- raten erläuterten Einwirkung der Mistel, indem sie bis in den Holzkörper eindringt, und denselben verändert, ergibt sich das praktische Resultat, dass da, wo es darauf ankommt, diese nach- theilige Wirkung aufzuheben , diess nicht durch blosse Entfernung des Schwamms oder der Mistel geschehen kann, sondern dass

') Opera omnia Lugdovici Batavorum 1687. Nr. 140.

") Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse von Dr. H. Schacht. Berlin 1854. p. 165.

*") Die chemischen Forschungen aus dem Gebiete der Agricultur und Pflanzeuphysiologie von Th. Wolf f. Leipzig 1847. p. 325.

- 70

dazu das Ausschneiden oder Ausbrennen der kranken Stelle nöthig ist, um die Ausstossung oder Ueberwallung derselben wie bei anderen abgestorbenen Theilen durch die gesunde Vegetation des übrigen Astes oder Stamms möglich zu machen.

XVI. Apotheker Dr. L e u b e von Ulm machte eine An- frage in Bezug auf das Fehlen wahrer D olomitkrystalle in manchen Juradolomiten der Ulmer Gegend.

XVII. Endlich zeigte Professor Volz ein Blatt vom ältesten Lumpenpapier, aus der Fabrik und mit dem Wasserzeichen (ein Ochsenkopf Fig. 1) der G e b r ü d e r H o 1 b e i n in Ravensburg vom Jahr 1301 und gab dazu folgende Erläute- rungen :

Fig. 1.

„Dass das erste Papier aus leinenen Lumpen in Deutschland verfertigt worden sei, wird allgemein angenommen, dass aber diese Erfindung am An- fang des 1 4. Jahrhunderts in Schwaben und zwar in Ravensburg gemacht wurde, ist urkundlich bewiesen, aber weniger bekannt. Die beiden Brüder Fr ick und Hans Holbein aus Ravensburg errichteten in dieser Stadt die ersten Papiermühlen, und ihre Familie blieb von 1301 1390 allein in dem Besitz des Geheim- nisses der Papierfabrikation und sammelte sich dadurch Reichthümer. Es ist noch eine Urkunde auf Leinenpapier vom Jahr 1301 vorhanden; bisher hielt man eine Urkunde vom Jahr 1318, welche man in Kaufbeuren auffand, für die älteste, so wie man von der Mitte des 14. Jahrhunderts in den alten städtischen und dynastischen Archiven viele Urkunden findet, deren Stoff offen- bar leinen Papier ist. Erst um das Jahr 1360 scheint das Leinen- papier auch in Spanien und in Italien bekannt geworden zu sein. In München wird von 1327, in Nürnberg erst 1390 die erste Papiermühle erwähnt. Der württembergische Archivcom- missär Fiiedr. Gutermann, ein geborner Ravensburger, hat

71

schon vor 10 Jahren diese Notizen aus dem Archiv seiner Va- terstadt geschöpft und die Entdeckung im Serapeum vom Jahr 1845 Nr. 17 und 18 dem Pubhkum mitgetheilt.

Unter den im Serapeum mitgetheilten Wasserzeichen der H 0 1 b e i n ' sehen Papierfabrik findet man auch die württembergi- schen Hirschhörner neben dem H olbein'schen Ochsenkopf, Fig. 2, da die Gebrüder Holbein für die Kanzlei des Grafen Eberhard des Greiners und seiner Nachfolger das Papier lieferten, wodurch sie sich aber den Hass ihrer reichsstädtischen Landsleute zu- zogen.

Fig. 2. Urkunde von 1451.

/rt/p^

Auf die Verhandlungen folgte ein gemeinsames Mahl im grossen Saale des oberen Museums. Am Nachmittage wurde zuerst der Foucault'sche Versuch von Herrn Oberreallehrer Blum im Chor der Stiftskirche ausgeführt, und dann folgten die Versammelten Herrn Direktor von Seyffer in die herr- lichen Gärten und Gewächshäuser der königlichen Wilhelma zu Cannstatt, wozu Seine Majestät der König, der gnädigste Pro- tektor des Vereins huldvollst die Erlaubniss ertheilt haben.

II. Aufsätze und Ablianclluiigen.

1. Beitrag zur Fauna Württembergs.

Von Baron Richard König-Warthausen.

Unsere Fauna bin ich im Stande , durch zwei neue Nag e- thiere zu vermehren, deren umständlichere Auseinandersetzung die Hauptaufgabe dieses Aufsatzes ist.

1) Die Zwergmaus, Mas minutus Fall.

Benennungen. Mus soricinus , parvulus et pendulinus Herm. Mus messorius Shaw. Mus pumilus Cuv. M. ace- narius WolL Micromys agilis Dehne.

Harvest rat Penn. Sor leine mouse Shaw. Mulot nain F. Cuv. Bat ferrugineux Desmar.

Rüsselmaus, Aerndtemaus, Stickmaus.

Literatur. Pallas, Glires, 433 Tab. 24. Zoographia rosso-asiatica, I, 169. Descriptiones fugitivae (Anhang zur Reise durch versch. Prov. des russ. Reichs, I, 154), Nr. 4. Linn^ ed. XIII. cur. Gmelin, I, 130, Nr. 8 und 10. Pennant, Quadrup. II, 384. Shaw. Gen. Zool. Quadrup. II, 62. Erx- leben Syst. regni anim. I, 401, 11. Schreber, Säugethiere IV, 661. Tab. 183 b. Bechstein, Säugethiere (2te Ausg.) 978. Cuvier, Thierreich (übers, v. Voigt) I, 224. Fischer Synopsis Mammalium (Stuttgart 1830), 322—23, Nr. 25, 26, 27. Oken, allgem. Naturgesch. VII, 2, 718. Hermann, Observ. zoolog. I, 57, 62. Boje, Isis 1823, 969. Gloger, Verhandl. d. k. k. Akad. d. Naturf. XIII, 2 Tab. 24 und Isis, 1828, 906. Dehne, „ein neues Säugethier der Fauna von Dresden" (Mo-

I

- 73 ~

iiographie 1841) und in der allgem. deutschen naturhist. Zeitg. (Hamburg 1855), Heft IV. 237.

Aufenthalt. Dieses hübsche Mäuschen lebt bei Wart- hausen nicht so gar selten. Ob es gleich gerne nah an feuchten Lokalitäten wohnt, so fand ich es doch nie im Thale und in den Riedern, sondern bloss oben auf dem Plateau. Hier trifft man es vor allem in einem versumpften Weiher, an dessen Rändern ich die künstlichen Nester schon im Jahr 1846 zahlreich im Schilf zu Ausgang Aprils entdeckte. Mehrere Jahre vermisste ich die Zwergmaus gänzlich und fand erst wieder am 26. August 1853 ein Nest mit sechs ganz kleinen, blinden, noch nackten Jungen auf einem Inselchen des besagten Weihers.

Im vorigen Jahr standen an der nämlichen Stelle mehrere, allein ich kam zu spät, um sie noch besetzt zu finden. Am 14. September 1853 erhielt ich ein zweites Nest mit fünf blinden Jungen aus einem etwa eine Viertelstunde von jenem Nistplatz entfernten, im Bezirk unseres Gartens gelegenen Hanfacker und zugleich die Nachricht, das beim Schneiden des Getreides wenige Tage zuvor ein weiteres zerstört worden war. Ein anderes Paar hatte sich in einem an den Hanfacker angränzenden Mohnfelde fortgeflanzt. Am 27. Juni 1855 endlich wurde ein Nest mit sieben Jungen aufgefunden, die ich nach andern Arten auf sie zu schliessen, für nahezu vierzehn Tage alt halte.

Die Alten werden nur schwer und selten sichtbar ; am besten gelang mir noch immer, sie zu belauschen, wenn ich im Herbste auf Enten anstand. Sobald dann die letzten Glockentöne des Ave Maria verklungen sind, erhebt sich ein feines Pfeifen und dunkle zwerghafte Gestalten, im düstern Dämmerlichte kaum noch zu erkennen, huschen durch den Schilf. Sie scheinen sehr kurz- sichtig zu sein, denn sie kamen mir oft bis vor die Füsse, viel- leicht wussten sie, dass sie es mit einem noch Kurzsichtigeren zu thun hatten, der sie jahrelang für Wasserspitzmäuse ansah.

Beschreibung. Am 18. November 1853 wurde ein ausgewachsenes Exemplar getödtet, welches ganz zutraulich auf einem Mohnkopf gesessen hatte. Ich habe es vor mir liegen, beschreibe es aber nur oberflächlich , da es stark verletzt und

74

im Weingeist aufbewahrt ist, wodurch sich die Maasse leicht verändern.

Der Kopf misst 7'" (Dezimalmaass), der Leib 1" 6"', der Schwanz 1" 5'"; die ganze Länge von der Schnauze bis zum Schwanzende beträgt somit etwa 3'^ 8'". Die Oberseite ist hell rostbraun, die untere scharf begrenzt weiss. Von einer jun- gem Waldmaus (Mus sylvaticus h.) unterscheidet sie sich schon auf den ersten Blick durch die lange spitzige Schnauze, da bei einer solchen im jugendlichen Alter der Kopf kurz und dick ist. Auch der Schwanz ist verhältnissmässig etwas länger, mit einer stärkern, mehr röthlichen Behaarung und das Weisse des Bauchs minder breit.

Es liegen einige sächsische alte Exemplare vor mir, deren Maasse ich, da sie ausgestopft sind, nicht mehr pünktlich nehmen kann. Ihre ganze Länge ist durchschnittlich etwas über 4" und die Schwänze diflferiren um 1'". Ein Stück hatte fast ganz die Färbung von Myoxus avellanarius ; Sommerkleid ! Zwei sind über den Rücken dunkler, mehr braun ; bei jenem und einem von diesen geht die Färbung der Ober- und Unterseite in ein- ander über, bei dem dritten ist sie ziemlich scharf begränzt. Bei letzterem ist der Bauch, sowie die Kehle weisslich, die Gränzlinie am Bauch ockergelb, bei den andern zwar die Kehle und Oberbrust ebenfalls weiss, allein die ganze übrige Unterseite schön rothgelb überflogen; diese Farbe herrscht an der Schwanz- wurzel und an den Hinterbeinen auch nach oben zu vor.

Die ganz kleinen, erst wenige Tage alten Jungen sind gegen einen Zoll lang, wovon der unförmig grosse Kopf 47.2'" wegnimmt. Der noch hinzuzuzählende Schwanz misst S'/j'", ist also noch sehr unentwickelt. Sie sehen wie die Rat- ten-Embryonen aus, haben eine nackte, faltige Haut und erst eine Andeutung der Ohren. Als ich sie sammt dem ringsum verschlossenen Nest holte, glaubte ich bestimmt, die Alten mit gefangen zu haben, so laut pfiffen die kleinen Thiere.

Die mindestens achttägigen Jungen haben ziemlich die nämlichen Proportionen, nur sind sie etwas grösser, die ganze Länge beträgt V/.^'i wovon 4"' auf denKopf, 5'" auf den Schwanz

75

kommen. Die deutliehen Ohren sind rund und an den Kopf angedrückt, die Haut noch nackt, jedoch sieht man bei ge- nauer Untersuchung einen dünn stehenden Flaum dunkler Härchen.

Bei den beinahe vierzehntägigen Thieren hätten sich die Augenlider gerade geöffnet, denn das Auge schimmert schon schwarz durch, auch zeigt der Schädel bereits einige Consistenz und die Schneidezähne treten deutlich hervor. Gewicht Vg Loth. Ganze Länge 2" 1'" wovon der Schwanz 8'", ebensoviel der Körper und 5'" der Kopf einnimmt. Dieser ist dicker als der nach hinten sehr schmächtig werdende Leib, über der Schläfen- gegend gemessen 3V4"S während der Körper an den hintern Extremitäten nur 2V2'" breit ist. Die Schnauze ist zwar noch recht dick, wie bei allen jungen Mäusen , aber im Vergleich mit andern Arten doch schon so gestreckt, dass sich die spätere rüsselartige Verlängerung andeutet. Die Ohren sind noch kurz, rund und platt angedrückt. Die ganze Oberseite ist roströthlich- gelb, wie bei den alten Haselschläfern, an den Seiten am hell- sten, durch schwarze Härchen dunkler über dem Rücken, die Unterseite röthlich weiss, d. h. fast nackt, schuppige mit feinen weissen Flaumhaaren-, Füsse von aussen her gelb behaart; Schwanz oberhalb schwarzblau, unten grau-fleischfarben, mit deutlichen Schuppenringen, zwischen denen helle Härchen stehen.

Die dunkeln, jedoch nur unter der Loupe oder im Wein- geist auffallenden „Borstenhaare" des Rückens sind offenbar die ersten, schon bei den nackten Jungen sichtbaren Anfänge einer Behaarung; erst hienach wachsen die helleren, zarten und häu- figeren übrigen Haare der Oberseite und ganz zuletzt die hell- sten, feinsten und kürzesten am Unterleib; eine Wachsthums- Theorie, die sich auf alle Haarthiere wird anwenden lassen, soweit diese drei Abstufungen der Bestandtheile des Fells vor- handen sind.

Während die früheren , kleineren Jungen sehr laut gepfiffen hatten, Hessen diese nur selten leise, zischende Laute („tsch") hören. Einen Tag erhielt ich sie in Baumwolle über einer Bettflasche, indem ich ihnen mit unsäglicher Mühe warme Milch beibrachte.

76

Die Färbung der Zwergmäuse erinnert, wie gesagt, sehr an die der alten Haselschläfer {3Ius Linn. Myoxus avellanarius Desm. muscardinus Schreb.), allein von deren Jungen unter- scheiden sie sich schon bei oberflächlicher Betrachtung durch den weit kahleren Schwanz und geringere Grösse; jene sind überdiess noch heller. Sonst haben sie nur noch AehnHchkeit mit denen der Waldmaus, die aber in dieser Altersstufe eben- falls grösser sind, mehr grau röthlichgrau aussehen und verhältnissmässig grössere Ohren haben.

Dr. Dehne (zu Hoflössnitz bei Dresden, bekannt als Mi- cromammalog) hat, wie oben schon angedeutet ist, ein besonde- res Genus Micromys, Kleinmaus geschaffen und will hierin Mus minutus mit betuUnus und vagus Fall, zwischen Myoxus und Dipus gestellt wissen. Mögen diese kleinen Nager allerdings einiges Eigenthümliche haben, was die Anhänger der Zersplit- terungsmethode zu generischer Sonderung veranlassen kann, so hat Dr. D. doch sicherlich auf der andern Seite sehr unrecht, die bei Dresden vorkommende Maus für eine eigentliche Species (agilis) zu halten. Die angeblichen Unterschiede sind: ein län- gerer, weniger behaarter Schwanz mit beweglicher Spitze und ein ganz gelber Unterkörper. Dass letzterer nicht allen Dresdener Exemplaren eigen ist, habe ich schon gezeigt; die Bezeichnungen ^,ahdomine albicante^^ (Hermann), ,,corpore subtus albido^ (F alias) sind überdiess ziemlich biegsam und lassen sich als „heller", „meist weisslich" ganz gut allgemein anwenden. Dass die Schwänze an einzelnen Individuen anderer Arten manchmal in der Länge ein wenig abändern, ist bekannt und Dehne selbst führt (naturhist. Zeitg. 1855, p. 182) von der Waldmaus eine Spielart mit beträchtlich längerem Schwanz auf. Geringere Be- haarung desselben kann ich weder nach den Beschreibungen noch durch praktisches Vergleichen finden. Was schliesslich seine be- wegliche Spitze betrifft, so ist, wie Dr. D. selbst angiebt, diess Kennzeichen von einem sterbenden, im Todeskampf befindlichen Thiere hergenommen.

Dehne diagnosirt folgendermassen : ,,Mus cauda prehensili, corpore longiore, 170 180 annulis instructa, palmis tetradac-

tyliSy unguiculo polUciari, planus pentadactylis collosiSy auricu- lis brevioribus rotundatiSy pilosis, mystacibiis tenuissimis, cor- pore omnino fulvo, suhtus pallidiore/^

Zu vollständiger Rechtfertigung meiner Ansicht und um die Lücken in meiner Darstellung zu ergänzen , setze ich auch seine genauere Beschreibung hieher; Gewicht l Vo Drachmen, Schwanz einige Linien länger als der ganze Körper (27.2")? Ohren halb in den Haaren verborgen , innen und aussen dicht behaart , ab- gerundet, Nagezähne gelb, Barthaare kaum über den Kopf hin- ausgehend , Hinterfüsse ziemlich lang , mit 5 Zehen , vordere kürzer, vierzehig nebst Daumenstummel mit kaum bemerkbarem Nagel, alle unter den Sohlen auffallend schwielig wie bei klet- ternden Nagern, obere Seite des Thiers hell ockerfarbig mit wenigem Grau vermischt, unten durchaus bleichgelb, Augen klein wie bei Hypiidaeus arvalis. Der sehr schwache Schwanz über- all aber doch nur dünn und kurz, das Ende bloss unten stärker behaart; „dieses letztere scheint ein vollkommenes Tastorgan (??) zu sein, welches dem Thierchen beim Besteigen von Pflanzen zum Festhalten dient."

Um gut klettern zu können, bedarf eine Maus nicht einmal eines besondern Tastwerkzeugs; Ratten und Hausmäuse liefern hievon tagtäglich leidige Beweise. Wollte man wenigstens das Genus lassen, so wäre es gewiss nur als Unterabtheilung der eigentlichen Mäuse {Mures im jetzigen Sinne) zu nehmen, keines- falls aber dürfte es zwischen die obengenannten Geschlechter eingeschaltet werden; mit dem gleichen Recht oder Unrecht könnte man dann auch die Ratten (3Ius decumanuSj rattiis, alexandrinuSj perchal, püorides, indicus etc.) als Megalomys unterscheiden, was der vielen Arten wegen noch mehr für sich hätte, gewiss aber nicht räthlich ist. Dem Recht der Priorität nach müsste unsere Art jedenfalls Micromys miniitus heissen.

Die Nester*) sind kugelförmig, sauber gearbeitet und stehen bald niedrig in Büschen verschiedener Sumpfgräser oder

') Vergl. Reich enbach, die Küastler unter den Thieren (Leipzig, 1853) p. 14 und 15.

- 78 --»

landwirthschaftlicher Pflanzen, bald mehrere Fuss hoch zwischen stenghgen Gewächsen. Man könnte sie insofern mit denen der Rohrsängerarten vergleichen, als auch sie nie ganz an der Erde sitzen und die sie umgebenden Pflanzen in die Wände einge- flochten sind, sie säulenartig tragen. Form und übriges Verhal- ten erinnert jedoch mehr an die Laubsängernester. Das Material ist wie bei allen Mausnestern sehr einförmig, aus der allernäch- sten Umgebung genommen, aussen schmale, öfters auch breite aber dann durch künstliche Theilung verdünnte Blätter ver- schiedener, bei jedem Neste womöglich gleichartiger Pflanzen, die grün abgebissen sind. Nach innen werden die Stoff'e zarter, fein zerbissen und mit Grasrispen gemischt. Bei dem im Hanf- acker angebrachten Nest bestand die Ausfütterung grossentheils aus Hanff'asern. Ein vor mir liegendes Exemplar, ballförmig wie alle, hat nach allen Seiten einen Durchmesser von 2" 5'"; seine innere Höhlung ist kaum grösser als eine welsche Nuss. Das Nest vom 27. Juni war ganz aus feinen, zerschlitzten grü- nen Grashalmen gebaut, äusserlich mit grünen Kleestängeln und Kleeblättern umwickelt und stand mitten in einem Kleeacker, einige hundert Schritte von jenem versumpften Weiher, dem ersten Auffindungsort. Diesen hatte ich am 16. Juni sorgfältig, aber vergeblich durchsucht; die Sumpfgräser waren noch sehr niedrig und der Wasserstand zu hoch, auch boten die um- gebenden Felder viel einladendere Nistplätze. Da dieses Nest beim Mähen zerstört wurde, konnte ich der Alten nicht habhaft werden.

Die Nester der Zwergmaus sind mit denen anderer Mäuse nicht leicht zu verwechseln. Es ist keine europäische Art vom Geschlechte Mus bekannt, die ebenfalls ein freistehendes Nest erbaute. Myoxus avellanarius thut diess auch , allein der Bau ist grösser und gröber, in dichtem Buschwerk angelegt; ich ent- deckte, da er hier selten ist, nur ein einziges Mal vor Jahren eines, welches in einem Massliolderbusche stand und auswendig mit grossen, ganzen und zerbissenen, vorzugsweise vom Standort genommenen Blättern umkleidet war.

Mus sylvaticus, so sehr sie auch in einigen Beziehungen

=~ 79 "

an unsere Maus erinnert, heckt unter der Erde oder doch we- nigstens nicht frei ; ich fand das Nest an sonnigen Abhängen ausgerodeter Laubwälder unter faulenden Baumstrünken.

Nachdem nun die Zwergmaus auch in unsere Sphäre ein- gerückt ist, dürfte es nicht uninteressant sein, ihre sonstige V e r- breitung zu berühren.

Pallas fand sie sehr zahlreich unter Getreidehaufen, auch in Birkenwäldern in Russland und im diesseitgen Sibirien, von der Wolga bis zum Ob und Jenisey. Nach Pennant und Shaw bewohnt sie England in Menge. Ferner ist sie in Belgien und Frankreich zu Hause, z. B. nach Fr. Cuvier in der Umgegend von Paris. Hermann entdeckte sie sparsam bei Strassburg, Boje in Schleswig und Holstein als eine der häufigsten Mäuse auf den Aeckern, unter Kornfeimen und in den Scheunen in Gesellschaft anderer Arten. G log er traf sie in Schlesien. Heuglin in Ungarn. In der Lausitz, in Sachsen, Pommern, bei Prag und K r a k a u ist sie gleichfalls vorhanden und von Wagler bei München, jedoch auch nur vereinzelt beobachtet worden. Zahlreicher fand sie Thieneraann im Weidengebüsch bei Greifswalde, Dehne im Lössnitzgrund bei Dresden unter mit Oxycoecus palustris bewachsenen Rasenhügeln in Torferde.

Die Zwergmaus hat demnach einen sehr grossen Verbrei- tungsbezirk, scheint aber mehr dem gemässigten Norden und dem Osten, als unseren Gegenden anzugehören, denn das Centrum einer Thierzone muss da liegen, wo die grösste Anhäufung der Individuen stattfindet. Im mittleren und südlichen Deutschland kommt sie zwar in vielen ihr zusagenden Gegenden, aber immer mehr vereinzelt oder nur sporadisch vor. Ob sie wie die Wan- derratte bei uns erst allmälig eingerückt oder ihrer geringen Grösse wegen früher übersehen worden sei, lässt sich schwer bestimmen, doch hat nach ähnlichen anderen Vorgängen die erste Annahme mehr für sich. Brütet doch jetzt die Wachholderdros- sel ( Turdus pilaris L.) zahlreich in Sachsen , Anhalt und der Lausitz, die im Anfang unseres Jahrhunderts nur als hochnor- dischcr Heckvogel bekannt war.

^ 80 .

2. Die rollie sibirische Feldmaus, Hypudaens rutilas Illig. und Fall.

Benennungen. Mus Ij. ArmcoZa La -Cepe de. Lem- miis Desmar. (Linck). Myodes Pall. Der letztere vom Entdecker dieser Art dem ganzen Geschlecht gegebene Namen würde den Regeln der Priorität nach wohl den Vorzug verdie- nen, allein ich lasse den gebräuchlichsten, weil der von Pallas geschaffene erst in dessen Zoographia rosso-asiatica auftaucht, die lange nach dem Tod des Verfassers erschien. In seinen früheren Schriften nennt er sie Mus rutilus. Als Illiger den seinigen gab, war jener noch gar nicht bekannt.

Microtus, Kleinohr hiess Schrank (Fauna boica I, 72) die kurzschwänzigen Feldmäuse schon anno 1798, allein seine Benennung fand keinen Anklang und wurde später trotz ihrer Berechtigung übersehen. Andere Hessen die Feldmäuse (Z ei st ei Oken) noch mit den gewöhnhchen Mäusen vereinigt und nah- men Arvicola mehr als unterscheidende Bezeichnung für die Un- terabtheilung, etwa sowie sie Linne 3Iures cunicularii, Andere brachyuri nannten, oder wie wir die Nager überhaupt Glires heissen. Für letztereist, beiläufig gesagt, Cuviers Benennung, Rosores desshalb unstatthaft, weil andere z. B. Bechstein, die insektenfressenden Fleischfresser (Schrotthiere , Raubmäuse, z. B. Maulwurf, Spitzmaus) ebenso nennen. Selbst Bodenüa (Oken) verwirrt als gleichbedeutend.

Literatur. Pallas, Zoograph, rosso-asiat. I, 177. Glires 246 Tab. 14. b. Linne ed. XIIL cur. Gmelin I, 133. Nr. 24. Schreber, Säugethiere IV, 672, Tab. 88. Zimmer- mann, geograph. Gesch. der Menschen und der Thiere, II, 368, 285. Pennant, Thiergeschichte der nördlichen Polarländer (übersetzt von Zimmermann), I, 134, Nr. 79. Desmarest, Mammalogie, 284, 445. Fischer, Synops. Mammal. 295, Nr. 17. Steller, Beschreibung von Kamtschatka 129.

Aufenthalt. Von dieser Maus fingen sich am 28. Febr. 1853 drei Stück in den von mir auf dem Landhaus Rebenberg

- 81 -

bei Stuttgart gestellten Fallen; ein Paar kam in meinen Besitz, die dritte wurde einer nicht zu Gast gebetenen Katze zur Beute. Wenige Tage zuvor hatten sie sich dadurch bemerklich gemacht, dass sie in einer einzigen Nacht an sämratlichen sehr zahlreichen Rosenstöcken des dortigen Treibhauses die meisten Knospen aus- gefressen und an den jungen Trieben die Rinde benagt hatten. Weitere waren nicht da, denn das nächtliche Botanisiren hörte mit ihrem Tode auf und trotz aller Bemühung konnte ich keine mehr auftreiben. Ich hatte ausser- und innerhalb der Gebäude über zwanzig Fallen aufgestellt und sah täglich zweimal nach, allein ausser den gemeinen 3Ius musculus und sylvaticus wurde nichts weiter erlangt.

Um so angenehmer wurde ich überrascht , auch im letzten Winter ebendaher ein Stück zugesendet zu erhalten, das einzige welches sich mit Mus sylvaticus und Hypudaeus arvalis gefan- gen und ebenfalls durch Zerfressen der Rosenstöcke angemeldet hatte , was die gemeinen Feldmäuse nicht thun. Letzteres Exemplar, welches übrigens nicht so lebhaft gefärbt wie die früheren und wohl ein junges Individuum ist, habe ich der Sammlung des vaterländischen Vereins zur Verfügung gestellt. Die sonstige Verbreitung der Rothmaus werde ich gelegent- lich berühren.

Beschreibung, entworfen im frischen Zustand nach den beiden ersten Exemplaren, einem fast gleich gefärbten Paar: Länge des Körpers 3" 3'", wovon der Kopf 1" einnimmt; Kör- perumfang 2". Ohren breit, eiförmig-rund, beim einen 3V2'", beim andern 3"' lang, deutlich aus dem Pelz hervortretend. Der ziemlich lang behaarte, oben braune, unten weisse Schwanz misst 1" 5'", mit den längern Haaren sogar l'< 6'". Die obern Schneidezähne sind gelber als die untern. Die Hinterfüsse ha- ben fünf, die vorderen vier Zehen und ein Rudiment der fünf- ten; sie sind fleischfarben. Die Barthaare messen bis zu 9'" und sind schwarz und weiss. Die ganze Oberseite ist sehr schön dunkel rostfarben , der Bauch röthlich weissgrau ; hier sind die Haare blaugrau mit hellen, dort blauschwarz mit roth^n Spitzen

Württemb. naturw. Jahreshefte 1856. Is Heft. 6

^ 82 -

Da3 Männchen ist etwas lebhafter gefärbt als das Weibchen, jenes wog ein Loth, dieses V32 weniger.

Nach trockenen Exemplaren aus Sachsen ist der Sommerpelz noch lebhafter, mehr fuchsroth, obenher kastanien- braun überflogen. Nach diesen wechselt die Länge des Körpers von S" S'" bis A" und die des Schwanzes von 1" b'" bis

1" 8 7.2'".

Bei dieser wie bei der vorhergehenden Art muss ich die osteologischen Verhältnisse unberücksichtigt lassen, da ich keine unverletzten Exemplare besitze. Die Rothmäuse gingen nur in Dachziegelfallen, in denen die Köpfe ganz zerquetscht werden.

Die beste Fangmethode ist, wie mir in allerneuester Zeit berichtet wurde, mit ganz kleinen, besonders angefertigten Maus- Tellereisen, die keinen zu starken Bügel haben dürfen, damit die Knochen nicht zerschmettert werden. Als Lockspeise wird eine Mandel oder Haselnuss angebunden. Diese Fallen seien für alle Arten von Mäusen sehr zu empfehlen.

Von der gemeinen Hypudaeus arvalis 111 ig. unterscheidet sich diese Art hinlänglich; vorerst durch den weit längern Schwanz bei geringerer Grösse. Bei den grössten jener Art, welche mehr als ein Drittel länger sind, fand ich ihn im höch- sten Fall 1" 2'" lang, also abgesehen von den Verhältnissen der verschiedenen KÖrpergrösse absolut kürzer um mindestens 3'", was bei so kleinen Thieren viel sagen will. Ausserdem ist er bei der gemeinen Feldmaus sparsamer und kürzer behaart. Die Färbung ist auch ganz verschieden; hierüber zu urtheilen bin ich jedenfalls befähigt, denn ich habe mehrere Tausende von jenen in Händen gehabt und sie in allen Altersstufen und zu jeder Jahreszeit untersucht. Auch unter ihnen giebt es freilich manchmal recht roth gefärbte Individuen , allein das ist doch etwas ganz anderes. Prächtig kastanienbraun mit fast isabellfar- benem Bauche sind sie niemals.

Med. Dr. T h i e n e m a n n in Dresden, der Herausgeber zweier Werke über die Fortpflanzung der Vögel, berühmt als Begründer einer wissenschaftlichen Auffassung der Oologie, hat sich früher viel mit der Untersuchung von Nagethieren beschäftigt, auch be-

83 -

kanntlich die zwischen Mus musculus und sylvaticus in der Mitte stehende 3Ius islandicus entdeckt und in seiner „Reise nach Island" zuerst beschrieben. Mit ihm kommunizirte ich alsbald wegen der fraglichen Maus und erhielt folgende Notiz: Meine Exemplare seien zweifellos die ächten Hyp. rutilus des Pallas auch er habe im gleichen Winter vier Stück bei Dresden ge- fangen, Schinz habe sie einst auf Thienemann's Auktorität und unter dessen Namen als Hypudaeus rutilans aufgeführt, da er dieselben früher für etwas verschieden von der Pallas'- schen Beschreibung gehalten habe. Hypudaeus rufescente fuscus Nager sei dasselbe Thier. Letzteres muss ich jedoch wenigstens bezüglich der Exemplare bestreiten , die mir Herr Nager selbst vom Gotthard überschickte und welche ganz anders aussehen, d. h. sich vom Hyp. arvalis nicht unterscheiden lassen, nicht einmal besonders röthliche, sondern mehr in's Graue gehende Exemplare, also identisch. Weit eher fällt Hyp, riifescente-ftiscus zusammen mit Arvicola subterraneus de Selys- Longchamps (Essai monographique sus les Campagnoles des environs de Liege, 1836 und Dehne, naturhist. Zeitung 1855 pag. 178), für dessen Selbstständigkeit ich auch nicht einstehen möchte.

In Sachsen ist die Rothmaus in neuerer Zeit häufiger ge- worden. Auch im Winter 1854 auf 55 fing Thienemann sechs Stück, eine Familie, die sich in seinem Landhause bei Dresden fest einquartirt hatte. Thienemann fand sie über- haupt nach Gmelin („varietas minor forsan quoque in Germania" Syst. ed. XIII. p. 133) zuerst wieder in Deutschland auf, in der sächsischen Schweiz und im Rosenthal bei Leipzig, wo ein Stück dadurch verrathen wurde, dass ein von ihm angegriffener Frosch jämmerlich schrie. In der sächsischen Schweiz sind sie jetzt gar nicht mehr selten, Winters jedoch häufiger als im Som- mer-, in ihrer Gesellschaft findet man dort die auch bei Berlin ziem- lich häufige Brandmaus, 3Ius agrarkis Fall, die meines Wis- sens bei uns noch nie vorkam und von der ich überhaupt nur ein einziges Exemplar selbst fand, nämlich an Pfingsten 1852

6 *

- 84 -

am Meeresstand unterhalb der Kreidefelsen von Stubbenkammer auf Rügen. Naturalienhändler K eitel sammelte unsere Maus heuer, in Lappland ein.

Cuvier (Thierreich, übersetzt von Voigt, I, 230) hat ent- schieden Unrecht , wenn er Ilypud. rutilus zu arvalis ziehen will. Wenn er dagegen mit der mehr als zweifelhaften Mus fHypud.J gregarius Pall. so verfährt, ist diess ganz etwas an- deres. Ob die Wühlmaus, 3fus glareolus Schreb. , Hypudaeus hercyniiis Mehlis, vielleicht mit unserer Art zu vereinigen wäre, vermag ich nicht entscheidend zu beurtheilen , jedoch scheint es mir wahrscheinlich. Lenz (gemein. Naturgesch. 3. Ausg. I. 404) nennt sie in Gestalt der Feldmaus ähnlich, oben rothbraun, unten grauweiss. Sie kämen hie und da in Deutschland, Frank- reich, England, Dänemark und an der Wolga vor, er habe bei Schnepfenthal binnen drei Jahren etwa sechzig Stück gefan- gen u. s. f.

Fortpflanzung. Alles, was ich über diese in Erfahrung bringen konnte , beschränkt sich auf einen einzigen Fall , den mir Dr. Thienemann neulich mündlich mitzutheilen die Güte hatte. Auf einer Parthie in der sächsischen Schweiz hörte der- selbe in einem kleinen Tannenbusch ein klägliches Angstgeschrei und fand eine österreichische Schlingnatter {Coluber austriaca, Coronella laevis) an einem etwa 2' über dem Boden erbauten grossen , ballförmigen , mit doppeltem Eingang versehenen Nest, von dem sich trotz der Gefahr die beiden alten Rothmäiise nicht entfernt hatten. Es enthielt Junge, welche Thienemann mitnahm; sie sahen mehr grau aus, gingen aber zu Grund, indem der Ofen, in welchem sie über Nacht einlogirt waren, am Morgen früher als gewöhnlich, vor ihrer Entfernung geheizt wurde.

Dass sie demnach nicht, wie ihre nächsten Anverwandten, unter der Erde nisten, ist jedenfalls sehr interessant.

Der Vollständigkeit wegen sei mir vergönnt, diess Kapitel mit einigen Notizen zu besclüiessen, welche ich aus den verschie- denen Schriftstellern ausgezogen habe.

Pallas (und ihm folgend Gmelin, Pennant u. A.) giebt

-^ 85 -

folgende Diagnose: ^^Miis (Myodes) rutiluSy cauda unciali auri- culis vellere longioribus, palmis suhtetradactylis , corpore supra fidvoj subtus cano.'^

Pennant nennt die Farbe von der Stirn bis zum Rumpf glänzend roth. Die Länge des Körpers wird von Gmelin auf 3" 1^1 2") die des Schwanzes auf etwas mehr als 1" gesetzt. Er bezeichnet Sibirien als gewöhnliches Vaterland und als Auf- enthaltsorte die Löcher der anderen Arten, Winters Getreidefei- men, Speicher und Häuser, Pennant sagt, sie werden häufig jenseits vom Ob gefunden, leben durch ganz Sibirien in den Wäldern, Gebirgen und um die Dörfer zerstreut. St eil er nennt sie Tschetanaustschu, die rothe Maus der Kamtschadalen und sagt, sie sammle keine Vorräthe, lebe parasytisch wie die Dronen und bestehle die Magazine der Maus Toegultschitsch [Hypudaeus oeconomus PalL). Ueber ihre und der andern nordasiatischen Mäuse Haushaltung gibt Stell er überhaupt ausführliche und interessante Nachrichten. Pallas endlich bezeichnet als ihr Vaterland Sibirien jenseits des Ural bis in die subarktischen Lande , Kamtschatka und die gegen Amerika gelegenen Inseln ; dort lebten sie um die Ostroge und vereinzelten Jurten ohne feste Wohnplätze, diebisch, keiner Kost, nicht einmal Fischen, abgeneigt.

Diese Art bei uns zu finden, kann weniger in Erstaunen setzen, da die Wanderlust, die im Lemming {Lemmus norue- gicus Des mar.) und in der Wurzelmaus {Hypudaeus oecono- mus Pall.) ihren Gipfel erreicht, so viele Zeiste charakterisirt.

Ein weiterer Bewerber um das Bürgerrecht in Württemberg war jener

Alpenhase, Lepus varidbilis L.

dessen in diesen Blättern bei Aufzählung der Vereinsgeschenke schon kurze Erwähnung geschah. Er wurde im Winter 1853 auf 54 unweit Ochsenhausen geschossen und Herr Forstverwalter Tritschler in Biberach hat damals hierüber im Biberacher Amts- und Intelligenzblatt Nachricht gegeben. Meines Wissens war diess der erste sichere Fall, dass sich solch ein Flüchtling

86 ~

zu uns verirrte. Sonst flüchten gerade umgekehrt die Württem- berger in die freie Schweiz. Ebensogut, vielleicht noch eher mag er jedoch aus Tyrol oder Vorarlberg gekommen sein; dann brauchte er nicht den Bodensee zu umgehen. Im bairischen Gebirge traf ich ihn nicht selten, wo er Berghase heisst, ebenso im südlichen Tyrol bei Meran; in Graubündten dagegen wird er Weisshase genannt. Nach brieflicher Mittheilung und ein- gesandten Schädeln ist er häufig im nordöstlichen Russland, von Archangel bis zur Petschora-Mündung und noch weiter nach Sibirien hinein. Er theilt jene Gegenden mit Luchsen, Vielfrassen, Bären, gemeinen und Polarfüchsen und einer Menge seltener Vögel, z, B. Falco aesaloUj Strix nyctea, funerea, Garrulus infaustuSy Pyrrhula enudeator, erythrina, Loxia leucoptera, Emberiza aureola, pusül'd, rusticüj Parus Sibiriens j Limosa einer ea, La- rus minutus Colymbus arctieus etc. die alle dort brüten.

Als

Anhang gebe ich einige Notizen über längst als württembergisch bekannte Säugethiere.

Lutra vulgaris Erxleben {Mustela lutra L.)

Ein am 31. Januar 1855 beiBesigheim erlegtes altes Fisch- otter Weibchen wog 22 Pfund. Ein anderes am 1. Februar des gleichen Jahrs bei Neckarrems geschossenes Exemplar war noch um 2 Pfund schwerer. Grossen Schaden sollen diese Thiere im vergangenen Winter an den Fischen des Seeburger und Fischbach- thals angerichtet haben.

Lepus timidus L.

Ein hübsches Exemplar von der nicht gar selten vorkom- menden weissgrauen Spielart des gemeinen Hasen sah ich bei Herrn Präparator Ploucquet, welches am Forsthause von Bodelshausen (angebhch am 27. Oktober 1854), geschos- sen war.

Am 20. November 1854 lieferte mir die hiesige Jagd einen Hasen, dessen Kopf merkwürdig missbildet war. Die Schnauze stand nämlich von rechts nach links schief, die linke Seite des

87

Mauls war fast ganz zugewachsen und die rechte unverhältniss- mässig weit aufgeschlitzt. Dem entsprechend, zeigte sich die Bildung der Zunge. Ihre rechte Hälfte war übermässig breit, die linke ganz schmal, nur angedeutet. Dieser Hase hatte also von der Seite fressen müssen! Der präparirte Schädel zeigt die auffal- lendsten Verhältnisse. Der linke Zwischenkieferknochen ist kür- zer, als der rechte, desshalb die ganze Schnauze nach links ge- gebogen, indem auch die Nasenbeine dieser Richtung nachgaben ; letztere sind überdiess hoch gestellt , fast horizontal mit dem Stirnbeinen, nicht so sehr abwärts geneigt wie sonst, wodurch der Schädel eine kürzere und stumpfere Gestalt erhält. Die oberen Schneidezähne sind sehr lang ausgewachsen und von links nach rechts (also der übrigen schiefen Richtung entgegen) gekrümmt; einer der Innern Nebenschneidezähne ragt zwischen den grossen hervor. Der Unterkiefer, dessen Zähne abgebrochen sind, ist ebenfalls von rechts nach links schief und die Verbin- dung der beiden Kiefertheile oben dick verknöchert, unten dage- gen die Trennungslinie noch sichtbar.

Ein trichterförmiges Loch, aussen drei Linien, innerlich über anderthalb im Durchmesser haltend, geht seitlich abwärts so durch den rechten Unterkieferast, dass die „Wurzel" des vorder- dersten Backenzahns blossgestellt ist. Auf der Innern Fläche ist neben diesem noch eine kleinere, dreieckige, nach aussen überknöcherte Höhle. Rings um die defekte Stelle ist die Kno- chensubstanz knorrig aufgerieben und strahlig porös.

Anfangs glaubte ich die Oeffnung einem Schuss zuschreiben zu müssen, allein dagegen spricht der unverletzte und dennoch ebenfalls verkrüppelte Oberkiefer, die offenbar natürlich ver- wachsenen und aufgeschlitzten Lippen (denn an den Mundwinkeln war keine Vernarbung zu entdecken), die einseitige Zunge und namenthch der Umstand, dass der entgegengesetzte Kiefer un- verletzt ist, der von einem Schrot nothwendig auch hätte durch- bohrt werden müssen. Demnach ist diess wohl eher Folge von Knochenfrass. Jedenfalls mag das arme Thier arge Schmerzen ausgestanden haben I

88

Hypudaeus arvalis IlHg.

Da ich das Aussehen der ganz kleinen, d. h. noch blinden, aber schon behaarten Feldmäuse nirgends angegeben finde, möge eine kurze Beschreibung derselben hier ihre Stelle erhalten ; vier etwa zehntägige Exemplare dienten zur Ver- gleichung.

Ganze Länge 19"', wovon auf den unförmigen, 4''' dicken Kopf 7'", den Körper 8V2'" w^^d den (proportionirten) Schwanz 3V2'" kommen. Die an den Kopf angedrückten Ohren sind rund und nicht grösser als bei Zwergmäusen im gleichen Alter. Die Färbung ist überall ein bräunliches Isabellgelb, oben mehr braun angeflogen, am Bauch, der Schnauze und den Extremitä- ten heller wegen der durchscheinenden Fleischfarbe. Bech- stein sagt fälschlich, die Jungen hätten gleich Anfangs die Farbe der Eltern.

Ich habe der Spielarten wegen vielleicht nahezu an zehntausend Feldmäuse selbst untersucht und überall auf die- selben gute Preise gesetzt. Die letzten Jahre waren leider zu solchen Nachforschungen sehr geeignet und lieferten mir folgende Resultate ;

1) Hyp. arv. albus. Reinweiss mit Andeutung einer grauen Stirnblässe; Augen schwarz. 1 Stück von Hohenheim. Leider wurde dieses Thier trotz Futterüberfluss von seinem stär- keren Gesellschafter aufgefressen und ich fand, nachdem ich den Behälter mehrere Tage nicht untersucht hatte, nur noch die Zähne und ein Stück Hirnschale vor. Mit rothen Augen {Hyp. arvalis leucopathicus) habe ich noch nie eine Feldmaus aus- findig machen können.

2) Hyp. arv. maculatus. Mit grösseren und kleineren Fle- cken; mehrere Exemplare.

3) Hyp. arv. perspicillatus , Brillenfeldmaus. Die Augen mit weissen Ringen umgeben, die über der Stirn zusammenflies- sen. 2 Stück von Hohenheim. Bei der ersten ist auch die Kehle weiss (sie gehört also zugleich auch zur fünften Nummer) und die Verbindungslinie bildet ein ^L Am zweiten Exemplar

- 89

hat sich die Zeichnung in der Gefangenschaft etwas verwischt. Diese Spielart ist sehr hübsch, selten und noch unbeschrieben.

4) Hyp. arv. torquatus. Rings um den Hals ein breites, weisses Band, das sich auf die Brust herabzieht, sonst stark röthlich. 1 Stück von Warthausen.

5) Hyp. arv, albogularis. Die ganze Kehle reinweiss. 1 Stück von Hohenheim.

6) Hyp. arv. stellatus. Bald mit einem einzigen kleinen, weissen Stern in der Mitte der Stirne, bald mehrere am ganzen Körper vertheilt. lieber ein Duzend.

7) Hyp. arv. pallescens. Isabellfarben. Zwei Erwachsene. Jüngere Thiere sehen nicht selten so aus, und ich fand deren viele, dagegen konnte ich nicht ein einziges Stück mit rein weissem Bauch auftreiben.

Merkwürdig ist endlich noch, dass mir das Unterland die meisten, Oberschwaben fast gar keine Varietäten lieferte.

Warthausen, im Herbst 1855.

2. lieber den Eizahn der Ringelnatter,

Von Dr. D. F. Weinland.

(Hiezu Taf. 1 Fig. 1—6.)

Am 23. August vorigen Jahres erhielt ich ein paar Duzend Eier der gemeinen Ringelnatter. Dieselben stammten aus einem Haufen von Sägemehl und Sägespähnen unweit dem wasserrei- chen Tegel, einige Meilen von Berlin, wo sie alljährlich um diese Zeit sicher anzutreffen sind und wo sie durch die feuchte Gäh- rungswärme jener Haufen, sowie durch die märkische Sonnenhitze ausgebrütet werden. Sie lagen da in unförmlichen Klumpen von 10 20 Stück zusammengeballt, mit ihren lederartigen Häuten fest aneinander geklebt. Ihre Grösse war ziemlich verschieden von ^/^ bis 1 Zoll Länge und etwa halb dieser Breite. Einzelne waren auffallend viel länger und schmäler als die gewöhnliche Form, die ziemlich einem Taubenei glich.

Die Entwicklung dieser Eier war schon sehr vorgeschritten. In allen, die ich öffnete, fand sich bereits das hübsche, gelb- halsige Thierchen, in einer Spirale aufgerollt, den Kopf in der Mitte , aber noch (nachdem die äussere Lederhaut abgelöst war) von einer durchsichtigen ziemlich dicken Membran umhüllt. Versuchsweise setzte ich eines ins Wasser, da durchbrach es schnell die letzte Haut, löste seine Windungen und schwamm lustig im Wasser herum, obgleich noch von einem schweren Dot- tersack belästigt, der erst allmälig nach etwa einem halben Tag sich vollends in den Leib zurückzog. Alle diese offenbar einige Tage zu früh aus dem Ei genommenen, etwa 6 1" langen Schlangen lebten dennoch munter fort, nur mussten sie, da ihre Epidermis noch ausserordentlich weich und daher sehr dem Aus- trocknen ausgesetzt war (man sah noch kerne Spur von Kielen auf den Schuppen, und erst nach einigen Wochen wurden solche deutlich), sehr feucht gehalten werden.

Die meisten Eier hatte ich aber sich selbst überlassen. Als

I

-Gl- ich nun am 26. August wieder nach denselben sah, streckten viele junge Schlangen schon ihre Köpfchen aus den Löchern der Eihaut hervor und untersuchten mit der Zunge tastend die Aussenwelt. Kaum berührt zogen sie sich schnell in das Ei zm'ück.

Das Loch in der ledernenEihaut, durch das sie her- vorsahen, war ein % Zoll langer Schlitz, aber nicht etwa wie durch Druck eingerissen, sondern mit sehr scharfen Rändern wie mit einer Scheere geschnitten. Die Haut ist auch wirklich leder- zäh und durch einfachen Druck der Schlange von innen, wie man sich leicht überzeugt, nicht zu sprengen. Womit schnitt nun jene diese Oeffnung? Ich suchte oben auf der Schnauze nach einem harten Höckerchen, wie es das Hühnchen zu ähn- lichem Zwecke hat, allein vergeblich. Während ich so die junge Schlange hielt und diese lebhafte Bewegungen machte, sich zu befreien, streift sie mit ihrer Schnauzenspitze an meinem Finger und zeigt mir durch einen Riss in meine Haut, wie sie das macht. Jetzt fand ich leicht am Zwischenkiefer fast horizontal aus der Mundspalte hervorstehend einen sehr scharfen und - im Verhältniss zu den anderen feinen, pfriemenförmigen Zähnchen ziemlich grossen und sehr breiten Zahn. (Fig. 1.)

Diesen Zahn könnte man am besten Ei zahn nennen, weil er schon einige Tage nach dem Ausschlüpfen sich nicht mehr vorfindet und daher entschieden nur jene Eine Funktion des Geburtshelfers hat. Er ist 1 Millimeter lang und halb so breit und sitzt in einer mittleren Vertiefung des Zwischenkiefers, der keinen anderen Zahn als diesen, bei der reifen Schlange bekannt- lich überhaupt keinen trägt. Etwa V2 Millimeter steht dieses zweischneidige, schaufelähnliche Messer über die Mundspalte vor wie der Diamant des Glasers über den Handgriff. Mit einer Schaufel bekommt er dadurch noch mehr Aehnlichkeit, dass auch er gebogen, oben konkav und unten konvex ist. Diese untere Konvexität, welche in der Mitte kuglig anschwillt, gibt dem Profil des Zahns das eigenthümliche Ansehen von Fig. 3. Die Ecken der Schaufel sind gewöhnlich abgeschliffen (Fig. 1, 4, 5,), doch nicht immer (Fig. 2.). Unten und an den Seiten hat er

92 -

scharfe schneidige Ränder, welche glashell durchscheinen, wäh- rend die dickere Mitte gelblich undurchsichtig ist. Mit vieler Mühe ist es mir gelungen, einen Schliff von diesem Zahn sammt dem Zwischenkiefer zu machen, den ich in Fig. 5 vergrössert abgebildet habe. Man sieht deutlich die Zahnkanälchen ; ferner die hohle bei dem Präparat mit Luft gefüllte und daher für das Mikroskop dunkle Mitte.

Aus der kurzen Dauer des Zahns ist es allein zu erklären, dass er bisher den Blicken der Naturforscher entgangen ist. Selbst Rathke in seiner trefflichen „Entwicklungsgeschichte der Natter" erwähnt ihn nicht, obgleich er den Zwischenkiefer des fast reifen Embryo selbst sehr genau beschreibt. Daraus schlies- sen wir, dass sich dieser Zahn auch nur kurz vor dem Aus- schlüpfen bildet. Dennoch ist die Sache, wie sich hernach zeigte, nicht neu. Schon im Jahr 1841 hat Johannes Müller in sei- nem „Archiv für Anatomie und Physiologie" p. 329 einen meines Wissens seitdem in keinem Lehrbuch benützten -— Aufsatz „lieber eine eigenthümliche Bewaffnung des Zwischenkiefers der reifen Embryonen der Schlangen und Eidechsen" veröffentlicht, wo er von einer Reihe von Schlangen- und Eidechsen- Embryonen, die er in Spiritus-Exemplaren untersucht hat, das Vorhandensein des Eizahns konstatirte und es als allgemeines Bildungsgesetz bei allen beschuppten Reptilien wahrscheinlich machte. Da Johannes Müller reife Embryonen unserer ein- heimischen Eidechsen und Schlangen damals nicht zu Gebote standen und so diese noch nicht untersucht waren, insbesondere aber als eine Beobachtung am lebenden Thier, schien mir dieser Nachtrag zu seiner Entdeckung der Veröffentlichung werth. Ich habe den Eizahn ausser bei der Ringelnatter auch bei der Viper (Vipera herus) , der glatten Natter (CoroneUa austriaca) , der Blindschleiche (Anguisfragilis), der gemeinen Eidechse (Lacerta agilisj, der grünen Eidechse (Lac, viridis), und der lebendigge- bärenden Eidechse (Lac. vivipara), überall von ziemlich über- einstimmender Form gefunden. Ausserdem untersuchte ich von Ausländern Ameira vulgaris^ Crotalus Cateshaei, Epicrates Cenchris, Bei dem ausschlüpfenden Krokodil aber fand ich, wie

WilrtlD.natui^viss, Jahresl^efieMJalird. 1858.

Taf.I,

~W^'

.:^-

g~

KV- 1 '

Vv

c^g^Ä^S^

r^

«^ J. C. ^ d. e.: Jp.

D We-mlojicUcUl

tuujLi'öei Ccu'LJubrwr<

- 93 --

schon Johannes Müller, kernen Zahn, em weiterer Beweis, dass die Eidechsen den Sclilangen näher stehen, als den Krokodi- len und dass letztere wohl als eigene Ordnung abzusondern sind. Bei den Krokodilen ist auch die Eischaale härter, kalkiger, da- her brüchiger und leichter durch Druck mit der harten Schnauze von innen durchzustossen , ähnlich wie bei dem Hühnchen und wohl auch bei der Schildkröte. Dagegen besteht die äussere Eihaut der Eidechsen und Schlangen aus mehreren Lagen sehr feiner aber fester in einander verfilzter Fasern. Die Zeit und der Hergang der Bildung dieser ist noch ein Räthsel. Doch scheinen Beobachtungen, die ich in diesem Sommer machte, darauf hinzuweisen, dass sie aus Zellen sich hervorbilden. Ich sah nämlich mitten im Fasergewebe öfters einzelne gelbliche ovale Körper, in der Regel mit einem Kern. Es gelang, einzelne zu isoliren und es zeigte sich, dass sie immer nach einer Seite hin in eine sehr lange Faser sich fortsetzten. Jene ovale Körper scheinen Zellen zu sein , aus denen sich die Fasern entwickeln ; ich sah sie von sehr verschiedener Grösse und bis zur vierfachen Dicke der Faser, oft aber auch sehr klein, so dass sie nur als verdicktes Faserendc erschienen. Wahrscheinlich ist dieses letztere Stadium der Zelle das Ende der Entwicklung und erklärt es, dass die grossen Zellen in ausgebildeten Eihäuten so selten sind. In Fig. 6 sind mehrere dieser Faserzwiebeln oder Faserzellen ab- gebildet.

Erklärung der Abbildungen.

Fig. 1. Kopf der ausschlüpfenden Ringelnatter (Tropidonotus natrix) mit aufgesperrtem Rachen, um den Eizahn zu zeigen. Vergrössert.

Fig. 2. Eizahn von eben und vorne. (Dieser hat ausnahmsweise scharfe Ecken.) Vergrössert.

Fig. 3. Eizahn von der Seite gesehen, Vergrössert.

Fig. 4. Zwischenkiefer sammt dem Eizahn herauspräparirt. Ver- grössert.

Fig. 5. Zwisschenkiefer mit dem Eizahn geschliffen. Die Knochen- zellen zeigen an, wo der Zwischenkiefer beginnt. Deutliche Zahnkanälchen. Etwa hundertmal vergrössert.

Fig. 6. Zwiebeln (Bilduugszellen?) der Fasern, die die Eihaut zusam- mensetzen. Verschiedene Formen , vielleicht verschiedene Entwicklungs- stadien a. f.

- 94 -

Zusatz. Vorstehende Beobachtungen wurden zufällig gemacht bei Anlasss einer anderen Untersuchung über „Ra^eschwankungen" insbesondere bei Schlangen. Die Wichtigkeit einer solchen Un- tersuchung leuchtet ein, wenn man z. B. sieht, dass aus unseren 26 europäischen Schlangenarten schon mehr als die doppelte Anzahl von Arten gemacht worden ist; Irrthümer, die sich nur auf das Verkennen der Ragenschwankungen gründen. Um nun hiebei sichere Resultate zu erzielen, ging ich statistisch zu Werk; ich sammelte von der Ringelnatter bekanntlich einer fast über die halbe alte Welt verbreiteten Schlange möglichst viele Exemplare immer mit genauer Angabe des Vaterlands und des speziellen Fundorts (dessen Klima , Meereshöhe , mittlere Jah- reswärme, höchste Jahreswärme, Dauer der einzelnen Jahreszei- ten, geologische^ Verhältnisse) und diese Schlangen mussten nun auf die verschiedenen zoologischen und anatomischen Merkmale untersucht und mit einander verglichen werden. Ich nenne insbeson- dere: Färbung im Allgemeinen und speziell Vertheilung derselben auf die einzelnen Schuppen, Form der Schuppen, insbesondere derer auf dem Kopf (Schilder), Zahl der Schuppenreihen von einer Seite zur andern und von vorne nach hinten , Zahl der Bauch - und Schwanzschienen, Zahl der Zähne, der Rippen und Wirbel, Länge des Darmkanals etc. Dass eine solche Untersuchung eine lang- wierige ist, ist sicher, aber die Frage, „in wie weit kann eine Art variiren?" ist eine an sich wichtige und namentlich durch die Umwandlungstheorie der neueren Geologie eine so eingreifende geworden, dass sich diese Mühe wohl belohnt. Ich habe diese Arbeit aus Mangel an Material vom Ausland noch nicht voll- enden können und habe leider, da ich mich auf einige Zeit auf Reisen begebe, nicht die Aussicht, sie bald zu vollenden. Für den aber, der etwa eine ähnliche Untersuchung beginnen wollte, mag es vielleicht von Werth sein, etwas über die Methode, die ich dabei befolgte, zu erfahren. Zur übersichtlichen und schnel- len Vergleichung mussten die Maasszahlen jedes Individuums (so weit diess nicht durch die Natur der Sache z. B. bei der Zahl der Wirbel u. dgl. ausgeschlossen war) Verhältniss-

=™ 95

zahlen werden. Es fragte sich nun, was als Einheit zu Grunde zu legen sei. Nach einigen anderweitigen Versuchen bewährte es sich mir bald, die Kieferweite, d. h. die Distanz des äusser- sten Punktes der Einen cavitas condyloidea, von dem äussersten Punkte der andern als 1 zu setzen. Es hat dieses Verfahren den grossen Vortheil, dass es bei frischen, wie bei skelettirten und fossilen, ja selbst bei den meisten ausgestopften Wirbel- thieren anwendbar ist. Diese Weite als 1 gesetzt, so ist die erste wichtige, darauf zu beziehende Verhältnisszahl die Entfer- nung eines Endpunktes derselben (d. h. also emes äussersten Punktes der cavitas condyloidea) von dem vordersten Punkt des Zwischenkieferknochens. Zieht man diese beiden Linien von jedem der Endpunkte der Linie der Kieferweite bis zu jenem vorder- sten Punkte, so erhält man ein gleichschenkliches Dreieck, das den ganzen Vordertheil des Schädels charakterisirt und mit Recht das Grunddreieck des Sinnentheils des Schädels ge- nannt werden kann.

Die dritte Verhältnisszahl wäre etwa die Höhe des Schä- dels in der Ohrgegend, die vierte die in der Augengegend, die fünfte die in der Nasengegend, die sechste die obere Breite des Schädels in der Ohi-gegend, die siebente dieselbe in der Augen- und die achte dieselbe in der Nasengegend; die neunte Verhält- nisszahl ist die von dem vordersten Punkt des Zwischenkiefer- beins bis zum vordersten Punkt des Rückenmarkslochs. Mit diesen 9 Verhältnisszahlen ist der Kopf in seinen Grundformen fest umschrieben, und sofort die übrigen Körpertheile.

Die Zeit ist vielleicht nicht mehr so ferne, wo die zoolo- gische Wissenschaft so weit specialisirt wird, dass sie schon zur Aufstellung der Artdiagnose solche genaue Verhältnisszahlen for- dert, statt der bisherigen vagen, nichtssagenden Ausdrücke wie z. B. der Kopf ist sehr lang, sehr hoch, breit u. dgl.

3. Apparat zur Bewegung der Zunge bei Manis macnmra Desnu (crassicaudata GriffithJ

Von Dr. v. Klein.

Der schwertförmige Fortsatz des Brustbeins, der knorplig ist, schickt von den beiden Winkeln seiner hintern Fläche zwei lange , schmale , knorplige Streifen ab , die sich zwischen dem Bauchfell und den Bauchmuskeln abwärts und dann nach rechts bis zum Darmbeinkamm krümmen, einen Bogen rückwärts und wieder aufwärts bis. unter die kurzen Rippen der rechten Seite bilden und dort in einer breiten Platte sich mit einander ver- binden, von welcher noch zwei andere lange, knorplige Streifen entspringen, die wieder aufwärts bis zur Mitte der ersten Strei- fen reichen und sich in einer später zu erwähnenden Scheidenhaut verlieren.

Die lange Zunge ist vorne platt, am vorderen Ende zuge- spitzt und hat eine rundliche Warze auf ihrer Spitze, die obere Fläche ist mit äusserst feinen Rapillen besetzt; nach hinten ist sie glatt und wird rundlich, wurmförmig; sie hing bei diesem Thiere (dessen Länge von der Nasenspitze bis zum hintern Ende des Beckens 392 Millimet. betrug , während der Schwanz allein doppelt so lang, als der Körper war; dessen Schädel von der Nasenspitze bis zum hintern Ende des Hinterhauptbeins auf der oberen Fläche gemessen 88 Millimet. mass) 12 Centimet. aus dem Munde heraus. Von der Mundhöhle aus geht dieselbe in einer besondern Scheide vor der Luftröhre, von ihr durch die Scheide völlig getrennt, abwärts und in einen langen schmalen Muskel über, der am Hals abwärts, hinter dem Brustbein her- untertritt und sich hinter und zwischen den zwei langen Knor- pelstreifen bis zur breiteren Platte erstreckt und auf deren vor- deren und hinteren Fläche festsetzt. Die Länge der Zunge und

- 9T ~

des Muskels bis zur Platte beträgt, -die Krümmung als gestreckt betrachtet, 460 Millim.

Die Zunge und ihre muskulöse Fortsetzung sind von einer muskulösen Scheide umgeben, die sich an den hintern Enden der beiden Aeste des Unterkiefers und am hintern Ende des Nasenkanals (Choannae) festsetzt. Die Schleimhaut der Mund- höhle setzt sich, die innere Fläche der Muskelschichte überziehend, bis vor den untern Theil des Kehlkopfes fort, schlägt sich dann mit scharfem Rande um und überzieht als äussere Schichte die innere, mit der sie unten durch lockeres Zellgewebe, höher oben fester verwächst. Innerhalb des so gebildeten Kanals liegt die Zunge frei, vöUig beweglich. Vom Kehlkopf an besteht der Kanal, der vor der Luftröhre heruntertritt nur aus einer Zell- gewebsschichte mit muskulösen Bündeln und wird verstärkt durch zwei starke Muskelbündel, die von der untern Seite des Kör- pers des Zungenbeins und von der vorderen Seite des Schild- knorpels des Kehlkopfs kommen und sich an die Scheide anlegen, dem 771USC. hyo- und sternothyrioideus entsprechend. (Unter dem sternothyrioid. j von ihm durch eine schiefe erhabene Linie ge- trennt, liegt der m. cricothyrioid.). Die Scheide setzt sich so als völliger Canal an der hintern Fläche des Brustbeins , mit ihr durch Zellgewebe verbunden, durch die Brusthöhle herunter fort, bis hinter den schwertförmigen Fortsatz, wo die Scheide aufhört, Canal zu sein, indem sich diese Muskelbündel an die innere Fläche des genannten Fortsatzes festsetzen. Der lange Zungenmuskel, der hier aus seinem Kanal herausgetreten ist, setzt sich dann zwischen den Knorpelstreifen fort, umgeben von einer Zellgcwebsschichte , an welche sich die von unten, der breiten Platte aufsteigenden Knorpelstreifen anlegen.

Die knöcherne Scheidewand zwischen der Mund- und Nasen- höhle wird hinter den Gaumenbeinen noch durch eine mit Schleim- haut überzogene Zellgewebsschichte fortgesetzt, die sich an einen knöchernen Halbkanal anlegt, welcher zuerst von erhabenen Linien am Keilbein, dann der Grundfläche des Hinterhauptbeins gebildet wird. Der so völlig geschlossene Nasenkanal setzt sich noch 21 Millim. vom hintern Ende der Gaumenbeine bis fast

Württemb. naturw. Jahreshefte. 1856. Is Heft. 7

-™ 98 -

zum grossen Hinterhaiiptsloch fort, wie diess bei allen Ameisen- fressern der Fall ist.

Die Schleimhaut der Mundhöhle steigt, einen völlig ge- schlossenen Canal bildend, hinter dem Kanal für die Zunge, sack- förmig verlängert bis zum Kehlkopf abwärts.

Der Kehlkopf ist vorne platt und von seiner vordem Wand entspringen die zwei langen Muskeln, die zur Zungenscheide gehen, welche zunächst unter dem Kehlkopf zwischen den Mus- keln liegt, die erst einen Querfinger tiefer mit der Scheide sich verbinden.

lieber dem Kehlkopf liegt das Zungenbein, das aus einem kleinen Bogen mit nach hinten gerichteten Enden, die zu beiden Seiten des Kanals hegen, besteht und keine oberen Hörner hat; mit der Zunge selbst steht dasselbe in keiner Verbindung, aber mit der Zungenscheide durch die oben erwähnten Muskeln. Von dem mittleren Theil seines Bogens geht auf jeder Seite ein brei- ter, starker Muskel aufwärts, der sich an das Schläfenbein an- setzt {m, stylohyoideus) und am hinteren Ende des Nasenkanals vor dem Hinterhauptsloch sich mit dem der anderen Seite in der Mittellinie verbindet.

Vom hinteren Ende des Nasenkanals setzt sich die Schleim- haut, einen dritten , für sich geschlossenen, engen Kanal bildend, mit muskulösen Bündeln nach unten fort, die hintere Wand in unmittelbarer Fortsetzung in die Speiseröhre, die vordere Wand hört mit einem halbmondförmigen Rand auf, dessen Conkavität bis an die Basis des langen Kehldeckels geht, der somit hinter diese Falte zu liegen kommt. Die seitlichen Ränder dieses sehr verlängerten Gaumensegels (wie diess bei allen Ameisenfressern der Fall ist) bestehen aus muskulösen Bündeln, die sich in die Speiseröhre fortsetzen, der vor dem Kehldeckel liegende mittlere Rand besteht blos aus Schleimhaut. Das Zäpfchen (uvula) fehlt völlig.

Der Kanal von der Mundhöhle aus geht nach unten vor den Kehldeckel und was von Nahrungsmitteln heruntertritt , muss durch die enge halbmondförmige Spalte, indem der Kehldeckel niedergedrückt und so die Kehlkopfshöhle geschlossen wird, rück-

~ 99 -

wärts hinter den Kehlkopf in die Speiseröhre, oder zu beiden Seiten des Kehldeckels über die seitliche nach oben geschlossene Fläche des Kehlkopfs. Von den Choannen aus geht der enge Kanal, der blos für die Luft bestimmt ist, gerade abwärts auf die Stimmritze.

Durch diese Vorrichtung eines so langen Gaumensegels werden die in die Mundhöhle gelangenden lebenden Insekten ver- hindert, in die Nasenhöhle zu kriechen und müssen jetzt, durch die Zusammenziehung der Schlingmuskeln gezwungen, durch die enge Spalte über den Kehlkopf weg hinunter in die Speiseröhre.

In der Mundhöhle am meisten nach vorne öffnet sich somit die Scheide für die Zunge, der hintere Theil vertieft sich sack- förmig gegen den Kehlkopf und ist gegen die Nasenhöhle völlig abgeschlossen, erst unmittelbar über dem Kehlkopf ist die Thei- lung für Luft- und Speisewege. Am Halse herunter liegen drei Kanäle hintereinander, die ganz abgeschlossene Scheide für die Zunge, der Kehlkopf mit Luftröhre und die Speiseröhre.

4. Eine achtfach blühende Agave americaiuL

Von Baron Richard König-Warthaiisen.

Die amerikanische Agave (häufig kurzweg, aber irrig „Aloe" genannt) ist bekanntlich schon seit dem sechszehnten Jahrhundert aus Mexiko in viele ihr zusagende Klimate, z. B. nach Portu- gal, Spanien , Italien und auf das Kap über gesiedelt worden und findet sich auch in den meisten unserer grösseren Gewächs- häuser. Da sie, freilich erst nach langer Zeit , aber doch nicht so gar selten in Flor kommt, ist über ihre längst bekannte Blüthe eigentlich nichts mehr zu sagen übrig. Wenn ich also über einen solchen Fall hier rede, so geschieht es nicht der Beschrei- bung, sondern einer andern, nicht uninteressanten Erscheinung wegen.

Im Jahr 1838 hatte mein Vater zwei prachtvolle Exemplare dieser Pflanze aus den freiherrlich Herrn an 'sehen Treibhäu- sern in Wain erstanden , deren Alter damals mit Bestimmtheit auf mehr als fünfzig Jahre angegeben wurde. Wegen Mangel an Raum standen sie bei uns Winters in einem kalten, an das Gewächshaus anstossendcn Gartenzimmer, bis etwa Mitte der

vierziger Jahre ein heftiger Frost die eine Pflanze ganz tödtete, die andere aber so zurichtete, dass sie sich nie wieder völlig erholte. Früher hatte sie schöne und grosse, regelmässig gestellte Blätter gehabt, allein nun, nachdem diese abgestorben waren, wuchsen nur noch kürzere, öfters einseitige und gekrümmte nach, ohne regelmässige Anordnung um einen Mittelpunkt, sondern ganz bunt durcheinander. Die Pflanze bekam ein so hässliches Aussehen, dass man sie beinahe fortgeworfen hätte. Da kamen im Sommer 1853 ganz unerwartet zwei Blüthenschäfte zum Vorschein. Entwickelten sich schon diese nur sehr allmälig, so gieng es mit dem zur Blüthe Kommen noch langsamer, denn

~ 101

obgleich man im Herbst täglich ein Aufbrechen der Knospen erwartet hatte, so geschah diess erst im tiefsten Winter, als der Stock schon lange in's Treibhaus gebraclit war, wo er der Sten- gel wegen in die Erde gegraben werden musste. Die Blüthen kamen zu vollständiger Entwicklung und es blieben anfänglich viele der grossen Samenkapseln stehen; leider fielen diese spä- ter ab.

Da auf das Blühen der Mutterstock der Regel nach abstirbt, wäre diess bei doppelter Blüthe nur um so gewisser zu erwarten gewesen, allein die Erwartung traf nicht ein und sechs neue Blüthenschäfte sind beweisende Zeugen dieser Ausnahme. Im Sommer 1854 waren sie erschienen, im Dezember hatte der erste, im Januar 1855 der zweite geblüht, wenn man anders halb aufgehen, verwelken und abfallen überhaupt blühen nennen kann. Die Blüthenknospen der vier anderen Stengel sind noch jetzt geschlossen, nur wenige öffnen sich kaum und lassen die Staubgefässe zum Vorschein kommen.

Die ganze Erscheinung ist wohl nicht anders zu erklären, als : der Frost zerstörte die Herzknospe , ohne die Vegetations- fähigkeit gänzlich zu vernichten, krankhaft gesteigerte Thätig- keit des Safts bildete an verschiedenen Stellen zwischen den ursprünglich äusseren „Nebenblättern" zahlreiche neue Blüthen- keime, die sich jedoch nicht auf einmal entwickelten, ihre Sten- gel also in verschiedenen Jahren, die kräftigsten natürlich zuerst, trieben. Dass letztere nicht die enorme Grösse erlangten, welche sie sonst manchmal erreichen, kann an einer krankhaften Pflanze überhaupt, besonders bei solcher Fruchtbarkeit nicht auffallen. Darum sind auch die sechs neuen Blüthen noch weit geringer ausgefallen, als die beiden früheren, was die Ausmessung zei- gen wird.

Der grössere der altern Schäfte ist 14 72' (Dezimalmaass) lang, sein dickster unterer Umfang beträgt 1', sein mittlerer 6 V^"« In einer Höhe von mehr als 8' beginnen die wechselweis spiral- förmig gestellten Blüthenzweige, von denen die grössten 1', die kleinsten 2" lang sind. Sie kommen über einer Schaftschuppe hervor und endigen mit fast bandförmig ausgebreiteten, meist

- 102 ^-

dreitheiligen Büscheln, auf denen die grossen Blumen aufrecht Sassen. Die Blüthenzweige sind sanft nach oben geschweift, armleuchterartig, fast wie ein verkehrtes S und ihr grösster Zwi- schenraum (wenn man von der Seite her zum nächsten misst) beträgt 6", Nach oben nimmt diess Verhältniss mit der Grösse der Aeste ab. Die grössern der 17 Seitenäste trugen je 15 bis 40 Blumen. Die Form des ganzen Blüthenstandes ist anfangs schwach bauchig, dann pyramidal, oben endigt er bei allen Schäf- ten als Büschel.

Der kürzere Stengel hat eine Länge von 1274', einen gröss- ten Umfang von TVo"; hi der Mitte gemessen ist dieser b^/.^". Blüthenzweige trägt er 13. Die übrigen Verhältnisse sind hier wie auch bei den andern Schäften dem ersten Beispiel entspre- chend. Die Schäfte haben sämmtlich bis zu den Blüthenzwei- gen herauf ähnlich wie diese gestellte, dreieckige, zugespitzte Schuppen, welche nach Art der Blätter oben in einen Stachel endigen ; die untersten derselben sind noch ganz blattartig, schmal und mehrere Zolle lang.

Die diessjährigen Blüthenstände zeigen folgende Maasse : Der grösste Stengel ist 6V2' lang, sein Umfang an der dicksten Stelle beträgt 5". Der kleinste hat eine Höhe von nur 4%' und einen grössten Umfang von 4V2''« Die übrigen stehen mit- ten inne. Sämmtliche tragen nicht mehr als 8 Blüthenzweige, welche 3 4'' lang sind und zum Theil nur 3, meist 7, nicht über 13 Blumen tragen.

Zum Beschluss folgt die Beschreibung einer diessjährigen, (nicht zu völliger Entwicklung gekommenen) einzelnen Blume:

Länge des Stiels 3"', seine Dicke fast 2'". Ganze Blume 2" 3'" lang. Kelch und Kapsel verwachsen, 9'" lang, dunkel- grün, darauf 6 grünlichgelbe Kelchlätter ; drei äussere sind 1'' lang, 274'" breit, drei innere 9'" lang. Jene liegen im ge- schlossenen Zustand so über den schmalen, dünnen und weiss- lichen Rändern von diesen, dass sie wie in einen Falz eingrei- fen. Das frei bleibende grünliche Mittelstück der inneren Blät- ter ist 172"' breit. Alle endigen oben in einer gebogenen, kurzen Spitze von der Form einer Hühnerkralle. Zwischen der

103

Verwachsungslinie der Kelchblätter und dem Fruchtboden be- findet sich eine 2 7.^'" tiefe trichterförmige Röhre; äusserlich laufen an ihr bis über einen Theil der Kapsel herab Furchen als Andeutung der verwachsenen Kelchblätter. Die Samenkapsel ist abgerundet-dreieckig, 3'" dick und enthält in den Innern Winkeln ihrer drei Fächer je 2 Reihen kleiner, platter Samen- anlagen. Der Griffel ist ziemlich dünn, V 1'" lang, seine Narbe dreitheilig; die 6 Staubfäden messen 8'", sind fast fadenförmig, in der Mittellinie der Blätter angewachsen, da wo sich diese zu einer Röhre vereinigen; die schwebenden Staubbeutel sind gelb und 6'" lang.

5. üeber einige Cephalopoden der Juraformation Württembergs.

Von Dr. Albert Oppel.

i) Acimthoteiithis antü/uus aus den Ornatenthonen von Gammelshausen bei BoU.

Auf einer Exkursion nach Christian Malford (Wiltshire) kam ich in den Besitz mehrerer Exemplare von Acanthofeuthis anti- quuSy Morris. *) (Belemnoteuthis, Pearce. **) von welchen eines vollständig erhalten ist. Dasselbe zeigt den Phragmokon, dar- über einen aus weisser bröcklicher Masse bestehenden Körper, in dessen Unterende der Dintenbeutel steckt, und an dessen Ober- ende sich die mit schwarzen hornigen Krallen regelmässig be- setzten Arme erheben.

Die Phragmokone, welche ich in ziemlicher Anzahl bekam, sind meist ganz zerdrückt, höchstens ist die äusserste Spitze wohlerhalten. Sie haben vieles Uebereinstimmende mit einer Belemnitenalveole und wurden auch desshalb von mehreren Au- toren mit dem in der gleichen Schichte liegenden Belemnifes Puzosianus, d'Orb. ***) Bei. Oweni, Pratt f) vereinigt. Letz- tere Annahme wurde zwar schon mehrmals widerlegt, doch sehe ich, dass in einigen neueren Arbeiten die Sache noch nicht als entschieden betrachtet wird. Einige Beobachtungen nun, die ich in der letzten Zeit an württembergischen Erfunden machte,

I

') Morris a Catalogne of brittisli fossils, 1854, pag. 289, siehe auch Quenstedt, Ceph. pag. 529.

") Proceedings of the geol. Soc. 1842. 3. Bd. 2. Theil. pag. 593. '") d'Orbigny Pal. franc. Terr. jur. Tab. 16. Flg. 1 6. pag. 117. t) Oweu, Phil. Trausact. 1844. Tab. 2 Fig. 1—3.

105

scheinen mir sicher zu beweisen, dass Belemnites Puzosianus von Acanthoteuthis getrennt werden müsse, obschon der innere Theil des Phragmokons eine von der Belemnitenalveole wenig abweichende Organisation besitzt.

In den letzten Jahren erhielt ich aus den Thonen des Amin. Jason und ornatus von Gammelshausen bei BoU einige kegelförmige Körper von der Gestalt einer Belemnitenalveole. Dieselben waren mit einer dünnen Schale bedeckt, deren Ver- schiedenheit mit der Scheide eines Belemniten ich sogleich er- kannte. Meine Vermuthung, dass die schwäbischen Erfunde zu Acanthoteuthis antiquus gehören, wurde mir damals nicht zur Gewissheit, da ich blos die von Quenstedt (Ceph. Tab. 36 Fig. 13) gegebene Figur, nicht aber Naturexemplare zur Ver- gleichung hatte. Nachdem ich aber in den Besitz des englischen Acanthoteuthis gekommen war , sah ich trotz der verschieden- artigen Erhaltung, dass meine in den Ornatenthonen von Gam- melshausen bei Boll gefundenen Fhragmokone ganz identisch seien, mit denjenigen, welche vonWiltshire aus derselben Schichte*) schon längst bekannt, und als Fhragmokone von Acanthoteuthis antiquus beschrieben waren.

Die Fhragmokone von Gammelshausen bestehen aus einem verkiesten, inneren Conus, der sich unter 25^ zuspitzt**), Sipho und Scheidewände besitzt und von einer dünnen kalkigen Schale bedeckt ist. Letztere scheint eine ähnliche Structur, wie die der Be- lemnitenscheide zu haben, ihr Querbruch zeigt eine dunkle crystalli- nische Masse. Diess wäre eine Abweichung von der Bildung, welche wir bei den englischen Fhragmokonen finden, denn diese

*) Die ScMclite, in der Acanthoteuthis antiquus in England vorkommt, wird von den dortigen Geologen als Oxfordclay bezeiclinet. Es ist ein grauer, blättriger Thon, welcher die Basis des eigentlichen Oxfordclay's ein- nimmt. Die Bildung besitzt das gleiche Alter , wie unsere sogenannten Or- natenthone und hat mit diesen eine ziemlich grosse Anzahl von Species gemein.

") Der spitze Winkel der Alveole von Bei. Purosianus beträgt ley^** d'Ofb. Pal. frauc. Terr. jur. pag. 117.

106

bestehen aus einer weissen, bröckligen Substanz. Dagegen ist die äussere Form, beider Vorkommnisse ganz übereinstimmend, und dabei völlig abweichend von der Bildung, welche die Be- lemnitenscheiden besitzen. Bei den Exemplaren von Gammels- hausen sieht man auf der dem Sipho entgegengesetzten Seite in der äussern Schale eine nach der Spitze hinlaufende Rinne, welche durch verdickte Ränder symmetrisch begrenzt und ziem-- lieh tief gelegt wird. Gegen oben verschwinden dieselben und die Schale wird dann glatt. Hierin gleichen sich die schwäbi- schen und englischen Vorkommnisse, während diese rinnenförmige Bildung nie bei der Belemnitenscheide gefunden wird und von den Falten derselben gänzlich verschieden ist. Die Form der Schale auf der Seite des Sipho's ist bei meinen schwäbischen Stücken nicht deutlich erhalten.

Merkwürdig sind die Phragmokone von Gammelshausen durch die gute Erhaltung der parallelen Scheidewände und des Sipho's. Es widerspricht dies den in mehreren Arbeiten geäusser- ten Annahmen, dass die Phragmokone des Acanthoteuthis keine Scheidewände und keinen Sipho besessen hätten.

In der That sieht man auch bei den englischen Exemplaren die parallelen Wände nicht leicht, was jedoch durch die Art ihrer Erhaltung erklärlich wird. Die Vorkommnisse von Christian Malford sind sämmtlich flachgedrückt und die dünnen Kalkscha- len in eine weisse bröcklige Substanz verwandelt. Die Ammo- niten dieser Lokalität, welche zwar immer die Wohnkammer sammt den Ohren vollständig erhalten zeigen, bestehen aus einer weichen oft mehligen Masse, dass sie an Ort und Stelle mit Leimwasser überzogen werden müssen, um sie vollständig nach Hause zu bringen. Unter Hunderten dieser Ammoniten ist kaum ein einziger, bei dem sich die Loben erhalten haben. Aus dem gleichen Grund, aus dem die Loben der Ammoniten nicht sicht- bar sind, dürfen wir es erklärlich finden, dass die parallelen Scheidewände der Phragmokone sich nicht konservirt haben.

Da die Form der äusseren Schale der schwäbischen und englischen Phragmokone in allen ihren Eigenthümlichkeiten so sehr übereinstimmt, so müssen wir annehmen, dass beide zur

107

gleichen Species gehören und dass demnach der englische Acan- thoteuthis einen mit S'c h e i d e w an d e n und S i p h o ausgestatteten Phragmokon besessen habe , dessen Scheide aber bloss aus einer dünnen Kalkschale bestand.

In England findet man, wie schon erwähnt wurde, den Bc' lemnites Puzosianus (B. Oweni Pratt.J häufig in derselben Lage mit Acanthoteuthis anliquus. Es wurde durch die Zusam- menstellung beider der Phragmokon des Acanthoteuthis noch mit einer langen Belemnitenscheide begabt und hiemit ein Thier- genus gefertigt, dessen Unterende durch die lange Kalkscheide des Bei. Puzosianus gebildet gewesen wäre und desshalb die Eigen- thümlichkeiten des Acanthoteuthis antiquus mit denen des Bei» Puzosianus vereinigt besessen hätte.

Wenn selbst die oben angeführten Unterschiede zwischen dem Phragmokon des Acanthoteuthis antiquus und dem Bei. Puzosianus nicht genügend wären und die Trennung beider zu entscheiden, so lässt sich in Schwaben ein indirecter Beweis gegen die Identität des Acanthoteuthis antiquus und Bei. Puzo- sianus sehr einfach dadurch führen, dass wir zwar den Acantho- teuthis antiquus besitzen. Bei. Puzosianus aber nie in Würt- temberg gefunden wurde, was bei der Grösse des Belemniten und den fleissigen Nachforschungen , welche in seiner Schichte angestellt wurden, hinlänglich zeigt, dass er gänzlich fehlt; der Schluss, welcher hieraus gezogen werden muss , ist, dass Bei. Puzosianus eine dem Acanthoteuthis antiquus ganz ferne stehende getrennte Species bildet.

2) AmmonnUes planorbis S o w. {psilonotus Q u e n s t.)

mit erhaltenem Aptychus,

Auf der oben erwähnten Excursion sah ich zu Bath in der Sammlung des H. Moore prachtvolle Suiten von Ammoniten mit eingeschlossenem Aptychus. Die Falciferen des oberen Lias von Ilminster scheinen besonders geeignet, um solche Präparate abzugeben. In der genannten Sammlung finden sich dieselben

- 108

von dem ausgewachsenen Zustande herab bis zu drei Linien Durchmesser, sämmtlich mit inliegendem A'ptychus. Was mich aber noch weit mehr interessirte, war ein glatter, flachgedrückter Ammonit, der Angabe nach aus dem unteren Lias stammend, welcher merkwürdiger Weise einen un gespaltenen Aptychus zeigte. Trotz der Zerdrückung bemerkte ich , dass der Ammonit kein anderer sein konnte, als Am. planorbis Sow., psüonotus Quenst. Ich versuchte nach meiner Rückkehr den Aptychus unserer württembergischen Psilonoten blosszulegen, und es gelang mir bei dem ersten Stück, welches ich in Angriff nahm. Ich fand die Lage des Aptychus in der Wohnkammer annähernd dieselbe, wie die det. bekannten Arten. Von der Mitte der Rückengegend biegt er sich symmetrisch auf beiden Seiten einwärts. Der äussere Umfang, welcher jedoch nicht völlig blossgelegt werden konnte, gleicht dem eines Falciferenaptychus , doch ist der herzförmige Einschnitt wenig sichtbar. Die Substanz, aus welcher er gebil- det ist, besteht aus einer schwarzen, porösen und bröckligen Masse, die gegen aussen schwache, der Peripherie parallele Fal- ten trägt. Sie hängt in der Rückengegend gleichmässig zusam- men, und man sieht deutlich, dass von einer Spaltung in zwei Theile keine Rede sein kann.

Es ist diess die einzige Ammoniten-Species mit erhaltenem Aptychus, die in Schichten gefunden wurde, welche tiefer liegen, als der obere Lias. Dabei ist Am. planorbis der erste Ammonit, welcher über dem Bonebed auftritt, d. h. die älteste jurassische Art. Sein ungespaltener Aptychus ist entschieden von grosser Wichtigkeit für die Organisation des Thieres und stellt dasselbe vielleicht getrennter von den übrigen Arten des gleichen Genus, als es jede seither beobachtete Abweichung der äussern Schale bedingen konnte.

Stuttgart im Druck erschienen im November 1855.

I

6. lieber Pentacrinites eoUigatus,

Von Prof. Quenstedt.

(Mit Taf. II.)

Die Pentacriniten erreichen im Lias ihre höchste Entwicke- liing, allein es ist ausserordentlich schwierig, alle Species sicher zu bestimmen. Da es bis jetzt an guten Abbildungen fehlt, so habe ich beistehende Krone, die entwickeltste aller Pentacriniten, gewählt, um daran einige Schwierigkeiten darzulegen. Sie ge- hört zu der Gruppe der Subangularen , wurde daher auch ge- wöhnlich schlechthin subangularis geheissen , aber weder Mil- ler's Abbildung (Natur, bist, of Crinoid. pag. 59), noch die von Goldfuss (Petref. Germ. Tab. 52 Fig. 1) stimmt damit, älterer Citate nicht zu gedenken (siehe mein Programm über Pterodac- tylus sueviciis pag. 17). Ich habe daher den neuen Namen colUgatus (Handbuch der Petrefaktenk. pag. 608) vorgeschlagen, welcher auf die grosse Menge von Zwischentäfelchen anspielen soll, wodurch die 10 Arme an ihrer Basis untereinander ver- bunden werden. Die Veranlassung dazu gab ein verkalktes Bruchstück von ausserordentlicher Schönheit, das Hr. Professor Autenrieth auf seinem Gute Sebastiansweiler fand, und der akad. Sammlung schenkte. Es ist das untere Bruchstück einer Krone, genau mit derselben Lage, wie unseres. Solche Neben- umstände sind gar nicht unwichtig: es verräth das Umstülpen des einen Theils der Arme eine Festigkeit der untern Scheibe, wie ich sie bei andern nicht kenne. Erst vor einem Jahr ge- langten wir in den Besitz des grossen abgebildeten Exemplares Fig. 1, es ist mit einem prachtvollen Schwefelkiesharnisch über- zogen und stammt aus dem Posidonienschiefer von Holzmaden bei BoU.

- 110 -

Von beiden Seiten herausgearbeitet, zeigte sich, wie gewöhn- lich, dass nur eine Seite, (in unserer Figur die obere) erhalten ist, die andere lässt nichts Zusammenhängendes mehr erkennen, alle Glieder sind von einander getrennt und durcheinander ge- worfen Fig. 2. Nach Erkundigungen liegt die erhaltene Seite im Gebirge nach unten, der Schlamm schützte sie vor dem Zerfall.

Der Stiel war auffallend kräftig und dick, wie bei keiner andern Species. Nach dem A utenriet h' sehen Exemplare zu urtheilen, gehörte ohne Zweifel das Stielende Fig. 6, welches aus dem mittlem Lias von Hinterweiler, südlich Tübingen, stammt, der gleichen Species. Ich verdanke es einem meiner Zuhörer, Hrn. Med. Dr. Gmelin. Eine ziemlich mittelmässige Abbildung davon gab ich im Handb. Fetr. Tab. 51, Fig. 29. Auf % Zoll Länge dieser Säule zählt man 18 Glieder. Am Unterende stel- len sich zwischen den Gliedern , wie bei allen Subangularen, noch die Anfänge von Zwischengliedern ein. Oben bohrt sich die Säule zwischen die Glieder des Kelches ein, sie verjüngt sich schnell, wie die Fig. 7 und 8 beweisen. Das 5 Pariser Linien lange Stück Fig. 8 zählt 23 Platten, dennoch fehlen oben einige, und F'ig. 7 hat eine unverletzte Spitze, das äusserste Ende der Säule.

Hilfsarme sind klein , kurzgliedrig , stehen aber sehr ge- drängt. Jedes Säulenglied hatte deren. Da es aber wegen der Kürze der Säulenglieder am Platz gebrach, so alterniren die Ansatzgruben. Die Spuren der Hilfsarme kann man selbst noch weit hinauf an dem verjüngten Ende verfolgen; anfangs gewahrt man noch Gliederstücke mit Nahrungskanal, ganz oben sind aber bloss die Punkte der Nahrungskanäle bemerkbar. Man glaubt mehr Hilfsarme zählen zu können , als Platten vorhanden sind. Hier war offenbar die Stelle, wo neue Glieder der Säule und neue Hilfsarmc erzeugt wurden.

Die Kelch radiale lassen sich bei Pentacriniten am alier- schwierigsten verfolgen, daher macht man auch hier am leich- testen Fehler. Einen wesentlichen Theil der Schuld tragen die gedrängten Hilfsarme der Krone, die alles verdecken und die

111

klar wegzuschaffen man kein rechtes Mittel hat. Das Zwi- schenradial {Pelvis) stützt sich auf die Kante der Säule, am Gmelin 'sehen Exemplar Fig. 6 ist es ausser Zweifel, allein an den beiden andern kann ich es nicht wieder finden, auch ist der Raum zwischen den ersten Radialgliedern viel breiter. Wahr- scheinlich sind das durch verschiedenes Lager bedingte kleine specifische Unterschiede, da ich das genaue Vorkommen nicht sicher kenne. Das Autenrieth'sche Exemplar Fig. 5 sollte iji dieser Beziehung vermöge seines Erhaltungszustandes deut- lich sein, doch lässt sich nur soviel erkennen, dass sich zeitig Zwischenplatten einstellen, welche die 5 Kelcharme zu je zwei unter einander verbinden. Die Kelcharme beginnen jeder mit drei Kelchradialen, die im Verhältniss zur Krone auffallend klein sind, ich finde das bei allen subangularen Formen, daher muss man auch in die Mi 11 er 'sehe Figur Zweifel setzen. Das erste Radialglied endigt unten in Fig. 1 hyperbolisch, in Fig. 5 scheint es unten verletzt, und in Fig. 6 habe ich es nach seiner wahr- scheinlichen Gestalt ergänzt. Das zweite Radialglied ist sehr niedrig, und das dritte (Scapula, Axillare) hat oben ein Doppel- gelenk, nach welchem sich die 5 Kelcharme zu den 2.5 = 10 Kr 0 n e n a r m s t ü ck e n spalten. Sämmtliche haben 6 Glieder ausser dem folgenden Doppelgelenk zweiter Ordnung, das wäre ein schönes Gesetz, wenn es sich bei den andern Exemplaren be- stätigte, allein ich habe nur Fig. 1 zählen können. Die 4.5 = 20 Arme dritter Ordnung werden bereits sehr ungleich , auch scheinen die Zahlen der Glieder nicht mehr durchzugreifen, doch finde ich zwischen je zwei Doppelgelenken der inneren Arme meist 10, der äusseren stets 14. Bei den inneren meint man an einer Stelle 11 zu zählen, allein der Arm ist mehremal ver- brochen, so dass man in die Arme vierter Ordnung hineinge- rathen könnte. Dagegen hat an der andern Stelle ein linker innerer Arm unzweifelhaft nur 8 Glieder. Diese einzige be- stimmte Ausnahme könnte man auch durch Missbildung er- klären wollen, indess finden wir beim A u t e n r i e t h ' sehen Exem- plare (Handb. Petref. Tab. 53 Fig. 1), so weit sie sich zählen lassen, innen 10, 10, 8, 8; aussen 12, 16, 12, so dass also

- 112 -

die Glieder aussen zwischen 12 und 16, innen zwischen 8 und 10 variiren. Gerade ist die Anzahl immer. Die innern von den je vier Armen sind stets dicker und kürzer, was die ge- ringere Zahl Glieder bedingt, die äussern dagegen dünner und länger. Noch unsicherer wird das Zählen bei den 8 . 5 = 40 Armen vierter Ordnung. Zwar herrscht bei den dicken Armen die Zahl 16, soweit ich sie zählen konnte, nur bei einem kommt 18, aber dagegen auf der andern Seite nur 14. Bei den dün- neren Armen kann ich nur ein einzigesmal 54 mit Gewissheit zählen. Man sieht wohl, dass an diesen überall erst hoch oben jenseits des 60ten ja 70ten der erste Nebenarm abgehe.

Es zerspaltet sich also die ganze Krone durch dreimalige Gabelung in 40 Arme, die alle wieder ihre Nebenarme haben, deren Zahl man jedoch nicht sicher bestimmen kann. Alle Ne- benarme liegen in den Gabeln dritter Ordnung, in den Gabeln zweiter und erster Ordnung dagegen keine. Nennen wir das Radial mit dem vollständigen ersten Gliede (Rippengliede) Nr. 1 und zählen so nach rechts bis Nr. 5, so lässt sich in Nr. 2 der Arm links bei der Gabel erster Ordnung von allen am deutlichsten zählen. Oben wurden schon die Glieder 6, 10, 16 nachgewiesen. Es folgen denn zwischen je zwei Doppelgelenk- gliedern: 14, 12, 14, 10, 10, 12, 12 ?, 10, 10, 12, 10, 12, 10, 10, 10, und im Ganzen gehen sechszehn Hilfsarme ab, bis das Ende oben abbricht. Obgleich der erste Arm des Radiais Nr. 1 länger entwickelt ist, so zähle ich doch bloss 15 Neben- arme, da er sich oben überworfen hat, und nicht weiter ver- folgt werden kann. Der links daneben liegende versteckt sich zwar zuweilen, doch gehören ihm ohne Zweifel 23 Nebenarme an. Diese Nebenarme verkürzen sich von unten nach oben. Der grösste unten ist etwa 5V. P^ariser Zoll lang und zählt über 200 Glieder. Am schwierigsten lassen sich die

Tentakeln ermitteln. Diejenigen längs der Hauptarme, den Nebenarmen gegenüber, sind am kräftigsten , je zwei Arm- gelenke dienen einer Tentakel zum Ansatz, daher muss die Zahl der Glieder zwischen zwei Doppelgelenken stets gleich sein. Der Analogie nach sollten auch auf der andern Seite zwischen

- 113 -

den Nebenarmen Tentakeln gelaufen sein, welche mit jenem al- ternirten. Sie waren da, wie die ersten Glieder beweisen, allein ihren Verlauf konnte ich nicht beobachten. Auch die Neben- arme sind mit zwei Tentakelreihen versehen, deren einzelne auf beiden Seiten mit einander alterniren. Doch ist es mir nie geglückt, dieselben von beiden Seiten gleich deutlich darzulegen, die Nebenarme fallen immer so, dass die Reihe ausserhalb der Gabel offen liegt. Auch pressten sich beide Reihen beim Tode des Thiers immer scharf aneinander, was die Beobachtung er- schwert.

Wenn nun schon diese Anhängsel einer sicheren Beobach- tung schwer zugänglich sind, so lässt sich über die Bedeckung der Mundseite der Arme meist gar nichts sagen. Nur das Autenrieth'sche Exemplar zeigt sich in dieser Beziehung wieder als ein seltener Fund: man sieht daran über den Armen eine Platte von rauhen Täfelchen (Fig. 4), welche in jeder Be- ziehung dem Perisoma von lebenden Pentacriniten gleicht, wie es Müller (Abhandl. Berl. Acad. 1841, Tab. III, Fig. 1) ab- gebildet hat. Das Pflaster , reicht bis zum 20ten Gliede des x\rmes vierter Ordnung hinaus, woraus folgt, dass die Täf eichen in den Gabeln der 40 Arme eine gewaltige Scheibe zusammen hefteten. Daher hatten sie auch eine unvermuthete Dicke, denn alle die Säulchen auf Fig. 5 zwischen den Hilfsarmgliedern, sind solche Verbindungsglieder, die man von aussen wegen ihrer Glätte immer als Platten zu nehmen versucht ist.

Die Zahl der Glieder ist ungemein gross. Rechnen wir auf jeden der 40 Arme 25 Nebenarme, was die eine Hälfte da- von mehr hat, dürfte die andere weniger haben, so endigte die Krone mit 40.25 = 1000 Spitzen. Rechnen wir für jeden dieser Zweige 200 Glieder mit 200 Tentakeln zu 20 Gliedern, da je zwei Armglieder einer- und andererseits eine Tentakel tragen, so gibt das 4 Millionen. Die übrigen Tafeln betragen mindestens auch eine Million, so dass wir 5 Millionen hätten.

Sollte ich etwas Gründliches über die Species der subangula- ren Pentacriniten sagen, so müsste ich, um klar zu werden, noch weitere Abbildungen geben. Vielleicht ist mir das später in

Württemb. naturw. Jahreshefte. 1856. Is Heft. 8

- 114 -

diesen Heften vergönnt. Ich selbst bin zur Zeit noch nicht im Stande, alle Naturexemplare unserer akad. Sammlung sicher zu bestimmen, geschweige denn, dass man auf ältere Namen, wie von Schlotheim, Miller etc. zurückgehen könnte, die alles noch zusammenwarfen. Mit unserem colligatus stimmt nur ein Bruchstück vielleicht überein, was Knorr (Tab. XL c.) aus der Gm elin'schen Sammlung abgebildet hat. Das Vorkommen und der Harnisch von Schwefelkies passt ganz gut, auch die Art der Isolirung, aber leider ist gerade der bezeichnende Theil unten weggebrochen, daher ist keine vollkommene Sicherheit zu erreichen.

Man hat sich allgemein gewöhnt, die ausgezeichneten Stiel- glieder im oberen Numismalismergel , die in so grosser Menge in allen Sammlungen herumfahren, unter P. suhangularis zu be- greifen. Auch Miller und Goldfuss haben das gethan, ob- gleich die von ihnen abgebildeten Kronen nicht dazu gehören. In Beziehung auf Kronenentwickelung stehen jene Stielglieder dem colligatus am nächsten. Da sie aber in rauhen Kalkbänken lie- gen, so bekommt man nur selten Bruchstücke von einigem Zu- sammenhange, die keine Entscheiduijg zulassen.

Gehen wir zu den geharnischten Kronen der Posidonien- schiefer über, welche ich im Handbuche der Petrefaktenkunde pag. 607 als suhangularis beschrieb, so habe^ ich lange ge- meint, das Exemplar bestehe aus zwei Kronen , weil auch zwei Stiele da sind (Flözgeb. Württ. pag. 265), dann entständen durch eine zweimalige Gabelung nur 20 Arme dritter Ordnung. In- dess durch obigen colligatus und durch mühsame andere Ausar- beitungen bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass es nicht zwei Individuen sind, und dass auch hier eine dreifache Gabe- lung der 5 Radiale zu 40 Armen stattfindet. Es stützt sich diese Ueberzeugung auch auf das wahrscheinlich allgemeine Ge- setz, dass alle 10 Arme zweiter Ordnung bei den Subangularen mit 6 Ghedern zwischen den Doppelgelenken beginnen. Dar- nach würde also dieses Exemplar dem colligatus sehr nahe stehen. Auch die Pracht der Arme ist ausserordentlich, ich zähle an mehreren 35 Nebenarme, das würde über 1400 Endspitzen an der ganzen Krone geben.

115

Die Kronen des Pent. Hiemeri K n. bleiben bedeutend klei- ner, als die genannten, namentlich spricht sich das auch an den 20 Innern Armen vierter Ordnung aus, die kaum mehr als Nebenarme sind. Am schwächsten ist die Krone von Pentacrinites Bria- roides, den Goldfuss (Petref. Germ. Tab. 52 Fig. 1) sogar als Typus des subangularis genommen hat. Hier finden sich entschieden nur Arme dritter Ordnung, die Kelchradiale liegen viel freier, als bei den ächten Subangularen , und die Hilfsarme haben namentlich nach oben sehr deutliche rhombenförmige Glieder.

Zum Schluss will ich Einiges über die Zahl der Kronen- armglieder festtellen, worin ich die Glieder mit doppelten Gelen- ken (Axillare), als von selbst verständlich, nicht zähle. Wie längst bekannt, haben alle 5 Hauptradiale 2 Gheder; die zehn Arme erster Ordnung scheinen nicht weniger bestimmt aus sechs zu bestehen, doch kann man bei den Subangularen über diese Theile sich nur in seltenen Fällen und nach vielen mühsamen Arbeiten unterrichten, beim Briaroides und Briai^eus liegen diese Theile gewöhnlich frei, daher ist auch Miller 's Zeichnung Yom subangularis so verdächtig. Ein leichtes und sicheres Zäh- len beginnt erst mit den 20 Armen dritter Ordnung. Wir haben hier beim

colligatus 14, 10, 10, 14; 14, 10, 10, 14; 14, 8, 10, 14; 14, 11?, 10, 14; 14, 10, 10, 14.

Autenrieth'sches Exemplar: 12, 10, 10, 16; 12, 8, 10, ?;?,?, ?, ?; ?, 8, 10, ?; ?, ?, ?, ?.

subangularis j beschrieben Handbuch Petref. pag. 607, die Kronenarme über IV4 Par. Fuss lang.

14, 10, 8, 14; 12, 8, 8, 12 ; ? etc.

Eine ditto schwächer

?, ?, 8, 14; 14, 8, 8, 14; 14, 8, ?, ?.

Hiemeri, Kronenarm, 7 8 Zoll, also gerade halb so lang, als heim subangularis , gehört schon zu den grossen Individuen: ?, ?, 8, 14; 12, 6, 8, 12; 12, 8, 8, 14.

Ein kleineres Individuum

?, 8, 8, 12; 12, 8, 8, 10?.

116

Ein sehr grosses Individuum ?, ?, 8, 14; 14, 8, 8, 14; 14, 10, 8, 14; 16, 8, ?, ?.

Von den 40 Armen vierter Ordnung lassen sich die inneren selten sicher zählen. Ein Bruchstück, wahrscheinlich dem coUi- gatus angehürig, hat:

18, 38+, 18+, 16; 18, 60, 68, 16; 20, 62+, ?, ?.

suhangularis : 16, 44+, ?, 16; 14, 64, 62+, 12; 14,64,64,14; 14, ?, ?, 16.

Die folgenden Glieder der Arme betragen 12, 12, 12, 10, 12, 10, 10, 10, 10 ohne Ausnahme. Doch kommen wieder andere Stücke vor, wo sich statt 10 regelmässig nur 8 finden. Zehn ist auch bei den kleinen nach oben die herrschende Zahl.

Erklärung der Tafel.

Fig. 1. Peniacrinites colligatus mit eiuem gelben Harnisch von Schwe- felkies überzogen, aus dem Posidonienschiefer von Holzmaden, Unterseite im Gebirge.

Fig. 2 dessgleichen, ein Stück von der zerrissenen Oberseite im Gebirge

Fig. 3 5. Theile vom Autenrieth'schen Exemplar von Sebastiansweiler verkalkt und ohne Harnisch : 3 Hilfsarme, 4 ein Stück vom Perisoma, 5 von der Kelchgegend.

Fig. 6 8. Obere Stielenden von Hinterweiler, aus mlttlerm Lias,

(

7. Die Hausratte in Stuttgart.

Von Prof. Dr. Krauss.

Bekanntlich ist die Hausratte {Mus Rattus L.) an vielen Orten durch die Wanderratte {Mus decumanus Pall.), welche wahrscheinlich aus Mittelasien stammend, sich jetzt über alle Welttheile verbreitet hat und nach dem Grafen Vondermühle durch die russischen Truppen mit der lästigen Schabe (Schwabe, Blatta) zu uns gekommen ist, verdrängt worden. So berich- tet H. Fischer in den Verhandlungen der Gesellschaft für Be- förderung der Naturwissenschaften zu Freiburg i. Br. 1855, dass die Hausratte daselbst und in Heidelberg kaum zu finden sei, dass sie aber in Weinheim und Heilbronn noch vorkomme. Von Baiern sagt Graf Vondermühle in dem Korrespondenzblatt des zoologisch-mineralogischen Vereines in Regensburg, 1853, dass sie auszusterben drohe, er setzt desshalb Preise auf gut erhaltene Exemplare aus.

In Württemberg kommt jetzt die Hausratte ebenfalls selten vor und ist an mehreren Orten, wo man sie früher häufig traf, längst nicht mehr beobachtet worden. Zu diesen Orten gehört auch Stuttgart. Sie soll zuletzt in der unterirdischen Wasser- leitung, welche an der Ecke des K. Stadtdirektionsgebäudes ein- mündet und in den untern Nesenbach führt, gesehen worden sein und wahrscheinlich stammt auch das Exemplar des K. Natura- lienkabinets welches im Jahr 1824 ausgestopft wurde, aus die- sem letzten Schlupfwinkel. Es mag wohl sein, dass inzwischen die Hausratte mit den immer häufiger werdenden Wanderratten getödtet worden ist, ohne dass sie erkannt wurde, allein mir ist es in den letzten 15 Jahren nicht gelungen, nur ein einziges Exemplar zu erhalten. Ich war daher sehr überrascht, als in der Nacht vom 20. Juli ein sehr grosses Männchen, welches nun in der Vereinssammlung aufgestellt ist, durch die zufällig geöffneten Thüren in mein Schlafzimmer kam und daselbst ge-

_ 118

tödtet wurde. Ein zweites Exemplar wurde den anderen Tag in meinem Keller, aus welchem eine kleine Dohle in die grosse Wasserleitung der Stadt und des Nesenbaches führt, gesehen. Es ist daher anzunehmen, dass sich die Hausratten seither in dieser Wasserleitung aufgehalten haben und dass sie aus den- selben durch die grossen Wasserbauten, welche in diesem Jahre von dem K. Residenzschlosse bis zur Hirschgasse geführt wur- den, verjagt worden sind.

Ueber das Vorkommen der Hausratten in anderen Orten Würt- tembergs sind mir nur folgende zuverlässige Angaben bekannt. Im Februar 1854 hat Baron Richard K ön ig- Warthausen eine Hausratte aus dem Schafstall